Kai Hülswitt entwickelt Fahrgeschäfte und Achterbahnen auf der ganzen Welt
Kai Hülswitt hat in Bochum Elektrotechnik studiert und sich auf Automatisierungstechnik spezialisiert. Jetzt arbeitet der 33-Jährige bei einer Firma in Baden-Württemberg, wohnt in Toronto in Kanada und entwickelt Achterbahnen und Fahrgeschäfte. Anja Gladisch hat ihn per Video interviewt , als er gerade in einem Freizeitpark in Vietnam war.
inherne: Herr Hülswitt, was genau machen Sie beruflich?
Kai Hülswitt: Wir bauen Fahrgeschäfte. Ich bin im Steuerungsbau. Da geht es darum – am Beispiel von einer Achterbahn – die tote Achterbahn, das Stahlgerüst zum Leben zu erwecken. Mit all den Themen, die damit zusammenhängen: Welche Antriebe braucht man? Was für Sicherheitsthemen gibt es zu beachten? Weil wir natürlich Menschen in Maschinen schnallen und da wollen wir sichergehen, dass da nichts passiert.
inherne: Wie läuft so ein Auftrag ab?
Hülswitt: Wir haben einerseits Standardanfragen: Die Fahrgeschäfte sind schon fertig entwickelt. Das ist immer ein bisschen anders je nach Land. Aber zum Beispiel der Fahrtverlauf ist dann fertig und kann so gekauft werden. Dann gibt es Kunden, die sagen, wie viel Platz sie haben, welches Streckenlayout sie sich vorstellen und so weiter. Man kann also wirklich etwas aus dem Katalog kaufen oder wir machen eine komplette Entwicklung mit den Kunden. Meine Kollegen und ich machen dafür dann den Steuerungsbau. Bei uns liegt alles, was die operative Sicherheit betrifft.
Kai Hülswitt ist weltweit in Freizeitparks unterwegs.
inherne: Welche Grenzen gibt es bei Ihrer Arbeit?
Hülswitt: Es gibt natürlich Standards, die uns regulieren. Was können wir dem menschlichen Körper überhaupt zumuten? Was sind Beschleunigungen in entsprechende Richtungen, die noch gesund sind und die auch Spaß machen? Wenn man eine Maschine bauen würde, wo alle krank runterkommen würden, wäre keinem geholfen. Die Kollegen, die das Layout machen, die schauen, dass die Fahrt am Ende des Tages Spaß macht. Klar, es gibt auch extreme Anlagen, die höher sind, die schneller sind und mehr Kräfte wirken. Aber die haben natürlich eine entsprechende Zielgruppe.
inherne: Haben Sie schon Ihre Traumachterbahn entwickelt?
Hülswitt: Ich habe in meiner Laufbahn viele Fahrgeschäfte gemacht, die abseits von der klassischen Achterbahn sind. Da waren sogenannte Darkrider, das ist eine Indoor-Themenfahrt, wo man in den Fahrzeugen an Szenerien vorbeifährt. Dann habe ich zwei relativ große Achterbahnen gemacht. In den vergangenen Jahren habe ich mich viel mit einem Flugsimulator befasst. Das ist ein ganz großer Bildschirm vor einer Gondel, die sich in vier Achsen bewegen kann. Das war ein Prototyp und hat mich lange beschäftigt. Dann gibt es noch einen Prototyp, der in den nächsten Jahren eröffnet wird. Der kommt schon sehr nah dran an das, was ich gerne machen will. Er involviert Boote und Wasser, aber allzu viel kann ich noch nicht sagen.
inherne: Gibt es ein Fahrgeschäft in Deutschland, an dem Sie mitgearbeitet haben?
Hülswitt: Im Europapark gibt es ein Fahrgeschäft, das heißt „Snorri Touren“. Das ist ein Darkride, den habe ich im Europapark und in Kasachstan gemacht.
inherne: Sie nennen Kasachstan, sind gerade in Vietnam – wie sieht Ihr Alltag aus?
Hülswitt: Ungefähr 30 Prozent meines Jobs sind im Ausland oder auf Baustellen und 70 Prozent im Büro. Der Büroteil ist standardmäßiger Ingenieursalltag. Auf der Baustelle sieht es anders aus. Wir arbeiten von Montag bis Samstag täglich zehn Stunden. Wenn ich auf der Baustelle bin, steht das Fahrgeschäft an sich schon. Dann geht es darum, dass die Schaltschränke aufgebaut werden, dann wird das Kabelziehen überwacht. Wenn das alles geschehen ist, fahren wir alles einmal hoch und überprüfen, ob alle Leitungen da liegen, wo sie liegen sollen. Und dann gehen wir Schritt für Schritt durch, lassen alle Antriebe einmal manuell laufen. Am Ende steht ein großer Block von Dokumentation, da gibt es hunderte Seiten an Testdokumenten, die auszufüllen sind. Da muss alles hundertprozentig sein. Wenn das alles erledigt ist, setzt man sich rein und fährt ein paar Runden und freut sich. Dann wird die Anlage übergeben.
inherne: Können Sie die Fahrten genießen?
Hülswitt: Gerade, wenn längere Projekte an dem Punkt sind, wo man mitfahren
kann, ist der Großteil der Arbeit erledigt. Es ist ein sehr befreiendes Gefühl, wenn man weiß, dass das, was man monatelang am Schreibtisch ausgebrütet hat, funktioniert. Gerade bei Prototypen ist das immer spannend.
inherne: Auf der Cranger Kirmes gibt es natürlich eine portable Achterbahn.
Hülswitt: Ich habe noch nie eine portable Achterbahn selbst gemacht. So eine Anlage muss in einem wirtschaftlich vertretbaren Zeitraum auf- und abzubauen sein. Wenn man sich überlegt, was wir an Arbeit auf Baustellen haben Anlagen überhaupt aufzubauen. Da kann man sich nur vorstellen, welcher Aufwand es ist, eine Anlage so zu konzipieren, dass man sie überhaupt schnell auf- und wiederabbauen kann. Aber das ist nicht das Einzige. Das Packmaß muss auch überschaubar bleiben. Wenn da ein Schausteller zig Lkws mieten muss, um eine Achterbahn von A nach B zu bringen, wird es relativ unwirtschaftlich. Dadurch bieten portable Achterbahnen etwas weniger Spielraum und sind um ein vielfaches komplizierter in der Entwicklung, weil viel mehr beachtet werden muss.