Kirchenpatrone, Pferde und Volksbelustigungen

29. Juli 2020 | Ausgabe 2021/3

Eine virtuelle Ausstellung zur Geschichte der Cranger Kirmes

Wie im Vorjahr musste die Cranger Kirmes auch in diesem Jahr pandemiebedingt abgesagt werden. Ein weiteres – wenn auch trauriges – Kapitel im Geschichtsbuch des größten Volksfestes in Nordrhein-Westfalen. In Zusammenarbeit mit der Deutschen Digitalen Bibliothek veröffentlicht das Stadtarchiv am Freitag, 6. August 2021 – dem Tag, an dem die Kirmes offiziell eröffnet würde – eine virtuelle Ausstellung zur Historie des Jahrmarktes. Es folgt ein Auszug.

Kirchenpatrone
Wenn es um das Alter der Kirmes geht, hält sich hartnäckig der 10. August 1449. An diesem Tage soll die Cranger Dorfkapelle dem Heiligen Laurentius geweiht worden sein. Eine fehlerhaft interpretierte Urkunde führte zu dieser Datierung. Mehr noch, die Kapelle wurde einem anderen Heiligen geweiht: Antonius dem Großen, nicht zu verwechseln mit Antonius von Padua. Zwei Urkunden aus den Jahren 1521 und 1526 belegen das. Später wurde aus der Antonius- die Laurentiuskapelle. Wann genau der eine Heilige dem anderen den Rang ablief, ist nicht bekannt. Unüblich war so etwas aber nicht. Derartige Wechsel kamen im Laufe der Jahrhunderte häufiger vor, wenn etwa eine Kirche Reliquien eines bedeutenderen Heiligen erhielt oder ein anderer Heiliger dem Zeitgeist mehr zu entsprechen schien. So mag es sein, dass Laurentius der populärere Heilige in Crange war, weil der alljährlich stattfindende Pferdemarkt immer an einem Laurentiustag stattfand. Fazit: Das Cranger Kirchweihfest und die Entwicklung der Kirmes stehen in keinem Zusammenhang, Jahrmarkt und Laurentiustag aber schon.

Die Schutzheiligen von Crange: Antonius und Laurentius.

Pferde
Ist der Ursprung der Cranger Kirmes in dem Pferdemarkt zu suchen, auf dem die berühmten Emscherbrücher Dickköppe verkauft wurden? Einiges spricht dafür. So weiß der Historiker Johann Diederich von Steinen 1757 zu berichten: „In diesen Gegenden ist das EmscherBruch, welches wegen der vielen wilden Pferde, so darin gezogen werden, bekant ist. Auf Laurentius wird hieselbst Jahrmarkt gehalten.“ Ebenso konnten in den im Stadtarchiv befindlichen Akten der Bürgermeisterei Herne bzw. des Amtes Herne, denen Crange bis 1875 angehörte, Hinweise auf Pferde- und Jahrmarkt gefunden werden. Belegt ist auch, dass nach kriegsbedingten Einschränkungen während des Ersten Weltkrieges der Pferdemarkt zunächst eine Blütezeit erlebte, um sich im weiteren Verlauf der Weimarer Republik vom Anlass zur traditionspflegenden Begleitveranstaltung der ständig wachsenden Cranger Kirmes zu entwickeln.

Volksbelustigungen
Der alljährliche Pferdeauftrieb zog viele Schaulustige an. Und mit ihnen kamen Musiker, Artisten und Gaukler, die die Marktbesucher unterhielten. Mit der Industrialisierung wurde aus dem Dorffest, das hauptsächlich von den Ortseinwohnern organisiert wurde, eine Massenveranstaltung. Schaustellerische Vergnügungsangebote, die sich auf die Bedürfnisse der Arbeiter nach „Feiern, Tanz, Spiel und Sensation“ einstellten und bis zur Jahrhundertwende durch Schau- und Verkaufsbuden bestimmt wurden, drängten den festgestalterischen Einfluss der Dorfbewohner allmählich zurück und lockten Tausende aus den umliegenden Industrieorten an. Das erste „Fahrgeschäft“ wurde bereits 1847 auf dem Jahrmarkt präsentiert: das Laurentius-Luftschiff. Dieses wurde in der Presse als ein eigentümliches Konstrukt beschrieben. Wir wissen nicht, wie es aussah. Wir wissen aber, dass es nicht funktionierte. Heutzutage locken – neben vielen anderen kleinen und großen Vergnügungen – funktionierende Hightech-Fahrgeschäfte jährlich etwa vier Millionen Menschen von nah und fern nach Crange – zur Kirmes. Piel op no Crange – hoffentlich in 2022!
Die virtuelle Ausstellung ist ab dem 6. August unter folgendem Link zu erreichen: ausstellungen.deutsche-digitale-bibliothek.de/cranger-kirmes.

Text: Alina Gränitz & Jürgen Hagen     Fotos: Thomas Schmidt