Ein Blog über Kunst, Mode und Medien

Kleidung als politisches Statement

29. Juli 2016 | Gesellschaft Kultur

Halil erscheint natürlich modisch angezogen zum Gespräch. Der junge Herner trägt Mantel, Hemd, Anzughose, aber auffällige silberne Sneaker. Als "ganz klassisch mit leichten, sportlichen Details", bezeichnet er seinen Stil. Urban soll es sein. Damit setzt er sich durch sein Outfit von der Masse ab: "Ich finde nicht, dass es übertrieben ist, was ich anziehe. Das ist mein Alltagslook!" erkärt er. "Ich mag eigentlich alles. Es kommt natürlich auf die Situation an, aber ich möchte immer gerne ein bisschen ausbrechen."

Los ging's auf MySpace und StudiVZ

  • Der studierte Grafiker Halil Adigüzel experimentiert mit verschiedenen Materialien und Stilen. © IAMHIA
Der 27-Jährige reitet schon ausgesprochen lange auf der Blog-Welle mit. "Ich glaube, ich war mit einer der ersten", sagt er. Angefangen hat alles, weil er seine zuhause selbst bedruckten T-Shirts im Netz zeigen und auch verkaufen wollte. Über Myspace und StudiVZ - beides heute schon fast vergessene soziale Netzwerke - fand er schließlich zu Blogs. "Das war viel interessanter als ein Netzwerk-Profil, weil man alles selbst gestalten konnte!" Und weiter: "So war der Start, aber mittlerweile sieht das ganz anders aus. Wenn die Leute auf meine Seite gehen, denken sie meistens, das sei nur ein Fashion-Blog. Aber ich mache vieles anders - zum Beispiel die Fotos mit Typographie", sagt er. Für die Fotos von ihm in seinen verschiedenen Outfits spannt er Freunde und Familie ein, denen er Anweisungen gibt. Die Bearbeitung, zum Beispiel mit Schriftzügen, übernimmt der studierte Grafiker selbst. Auf seiner Seite finden sich auch Animationen und Kurzfilme im Paper-Cut-Stil, die er selbst produziert hat. Er probiert sich an ganz verschiedenen Dingen und sagt deshalb, sein Blog sei über "Kunst, Mode und Medien".

Kommunikation durch Textilien

  • Der studierte Grafiker Halil Adigüzel experimentiert mit verschiedenen Materialien und Stilen. © IAMHIA
Sein bisher größtes Projekt realisierte er 2014 während seines Kommunikationsdesign-Studiums mit seiner Bachelor-Arbeit unter dem Titel "Stand Up Folks". Dazu hat er sich mit den Themen Faschismus, Rassismus, Zensur und Terrorismus beschäftigt und diese durch Muster und typographische Elemente in verschiedenen, rundumbedruckten Textilien verarbeitet. Auf seinem Blog schreibt er dazu: "Das Individuum erkennt Mode als primären Blickfang und beurteilt - wie oberflächlich es auch klingen mag - den Träger nach dem Äußeren. Deshalb war der erste Gedanke die Kommunikation durch Kleidung. Daher kam die Frage auf: Warum sollte man nicht ernste Themen durch die Garderobe ansprechen?
"

An den Ergebnissen von damals möchte er heute wieder anknüpfen: "Meine Bachelor-Kollektion ist nichts für die Masse. Das sind zu auffällige Farben und Muster." Daher macht er sich bald an die Neuauflage und will die Kollektion straßentauglicher gestalten: "Weil Rassismus ein ganz wichtiges Thema für mich ist und alle Leute das tragen können sollten." Und weiter: "Ich will nicht sagen, dass hier in Herne Diskriminierung stattfindet. Aber es passiert vieles, das nicht sein sollte."

Halil wird von Labels gesponsert

"Die Leute denken, ich bin die ganze Zeit am Einkaufen. Aber das könnte ich mir so mittlerweile gar nicht leisten!", sagt Halil und verrät mir, dass er viele Sachen aus seinem großen Fundus zu neuen Outfits kombiniert. Aber alles, was er trägt, hängt auch tatsächlich bei ihm zuhause auf dem Bügel: "Ich mag es nicht, Sachen zu posten, die man eigentlich gar nicht im Kleiderschrank hat." Hin und wieder kriegt er aber auch Post von Marken und Labels, die ihm etwas aus ihrer neuen Kollektion schicken, um auf seinem Blog präsentiert zu werden. Das nennt man Produktplatzierung. Die Klamotten darf Halil im Anschluss auch behalten. "Aber ich nehme mir die Zeit, mich erstmal mit dem Produkt zu beschäftigen und zeige auch nicht immer alles, was geschickt wird." Denn "mittlerweile machen viele Leute das einfach nur, um gesehen zu werden und posten nur, um entdeckt und gesponsert zu werden." Halil belohnt die Leser seines Blogs zwischendurch sogar für ihre Aufmerksamkeit und Treue, indem er Gewinnspiele veranstaltet und gesponserte Produkte verlost. Auf Instagram hat er mittlerweile über als 8.200 Follower.

Eine Kollektion im Design-Team mitentwickeln

Vor Kurzem hat Halil seine Masterarbeit in Szenographie angemeldet. Auch dabei geht es ihm um Diskriminierung und Hass im 21. Jahrhundert - und auch Textilien werden wieder eine große Rolle dabei spielen. "Ich sag immer Textilien, weil da noch viel mehr ist: Taschen, Turnbeutel, Jacken und Hosen." Wer mehr z.B. über Halils Bachelor-Arbeit, erfahren will, schaut einfach auf seinem Blog vorbei: www.iamhia.com

Text: Sascha Rutzen / Fotos: privat