„Gemischte Tüte" in Unser Fritz

Kulturgut Trinkhalle

29. Juli 2016 | Gesellschaft Kultur

von Ralf Piorr

Anarchisch und knallbunt

Aber es war nicht nur das engmaschige Nahversorgungsnetz, das mich erstaunte, sondern auch das Erscheinungsbild. „Buden" im Revier waren anarchisch eingerichtet, knallbunt, ein wilder Mix aus dicht gedrängten Zeitungen, verblassten Reklametafeln, Tabakwaren, Brausepulver, Schokoriegeln, Eintopfgerichten, Sammelbildern, den verschmierten Plastikboxen mit Klümpchen und den Resten von gestern. Man konnte alles finden und nichts, also irgendwie so wie das Leben.

Älteste Seltersbude im Revier

Jetzt wird im Nostalgie-verliebten Ruhrgebiet die Bude zum Kulturgut erhoben und mit einem eigenen Feiertag gewürdigt: dem Tag der Trinkhalle am 20. August. Schon klar, dass auch das Heimatmuseum Unser Fritz dabei ist. Schließlich steht dort auf dem Hof eine der ältesten Seltersbuden des Reviers: Baujahr 1902, so in etwa. Vom frisch restaurierten Dach winkt „Fortuna" den Geplagten freudig entgegen. Das ursprünglich aus Gelsenkirchen stammende Schmuckstück stand bis 1971 an der Gelsenkircher Straße in Wanne-Eickel und hat viel spätere Prominenz gesehen. Helmut Bettenhausen holte sich dort sein Knickerwasser, Willi Thomczyk orderte eine Overstolz und zwei Bier – für seine Eltern natürlich – und träumte nachts von der Fortuna.

Tag der Trinkhallen in Herne, Samstag, 20. August

(www.tagdertrinkhallen.ruhr)
- Elkes Bude, Richard-Wagner-Straße 84
- Fortuna-Bude am Heimatkunde-Museum, Unser-Fritz-Straße 108
- Kiosk Bergmann, Horsthauser Straße 156
- Kiosk Yildiz, Wiescherstraße 18
- Oelmann, Edmund-Weber-Straße 229
- Trinkhalle im Stadtgarten, Vinkestraße 93

Gemischte Tüte

Anne-Bude Zweimal die gleiche Trinkhalle: links wie die "naive" Malerin Anna Mentrup sie sah, rechts die Bude mit dem Künstler Helmut Bettenhausen davor, der sich dort mit Knickerwasser versorgte.

Und was für ein Programm wird nun am offiziellen Buden-Feiertag angeboten? Ganz klar: Gemischte Tüte! Ab 14 Uhr was für die Blagen, ab 18 Uhr kommen dann die Erwachsenen dran. Die Bude selbst schmeißt sich in den Chique der 1970er Jahre, damit auch alles schön Retro ist. Genauso wie unsere Budenbesitzer alias Bärbel König-Bargel und Graf Hotte Schroeder. Die üben schon für ihre Stammkundschaft, stadtbekannte Budenzauberer wie Wolfgang Berke, Peter Habermehl und Jörg Lippmeyer. Manch einer von ihnen hat angedroht, eine Gitarre mitzubringen. Mal abwarten. Eintritt ist für lau, das Flaschenbier nicht.

Text: Ralf Piorr / Illustration: Anna Mentrup