Glosse

Mal wieder „in echt“ unterhalten

8. Mai 2015 | Freizeit Gesellschaft

Warum auch nicht? Der OB-Kandidat tut es doch auch. Und die Herner Parteien. Der Mondpalast knüpft Freundschaften, die Eickeler Kulturbrauerei auch, die Stadt und die Vereine, das Parkrestaurant oder der UFO-Biergarten. Sie alle setzen ein „Gefällt mir!“, laden ein, teilen mit und teilen überhaupt, setzen Bilder ein und haben „Freunde“, die sie an der Kasse im Supermarkt gar nicht erkennen würden.

Auch ich habe mich einfangen lassen von dem weltweiten Spinnennetz. Und entdecke täglich Dinge und Statusmitteilungen über das Wetter, die Gefühlslage, den Freizeitspaß oder das gerade entdeckte Youtube-Video. Meine Lieblings-Fußballzeitschrift (ja, die gibt es noch, und zwar auf echtem Papier) nutzt den Kanal ebenso wie der Freund aus dem hohen Norden, der postet, dass er sich ein neues Auto gekauft hat.

Boaah, spannend! Oder auch nicht!

Natürlich gibt es die, die alles mittteilen – angefangen bei der Morgentoilette bis zum Gute-Nacht-Kuss. Aber ich muss das ja nicht lesen, ich kann diese „Freunde“ ja sperren. Aber tut man das überhaupt! Und will such das überhaupt? Ich will doch dabeisein … Und was soll ich mit der überschüssigen Zeit machen? Wieder anstatt des Handys die Zeitung mit aufs Klo nehmen, die Geburtstage wieder in mein schwarzes Notizbuch eintragen, wieder echte Bilder anschauen, wieder telefonieren anstatt zu posten???

Ich weiß es nicht!

Aber eines stelle ich mir dann doch gerne einmal vor: Eine Hacker-Gruppe trennt Facebook von seinen Nutzern! Kriselt dann die Weltwirtschaft? Sendet die ARD einen Brennpunkt? Verkaufen die Verlage Extra-Ausgaben ihrer Zeitungen? Brechen Freundschaften auseinander? Ich würde es nicht wissen – bei Facebook kann ich ja nicht gucken. Aber wäre das so schlimm, selbst für die hauptberuflichen Social-Networker? Menschen würden sich wieder „in echt“ unterhalten, Bilder würden wieder im Fotoalbum kleben und alles Wissenswerte steht in der Zeitung.

Nur: Bekäme solch ein Hacker-Angriff ein „Gefällt mir!“???

Text: Jochen Schübel