Marien Hospital Herne

Mediziner erforschen das Coronavirus

1. Februar 2021 | Gesellschaft
Foto: Prof. Dr. Timm Westhoff und sein Team untersuchten, warum viele schwer an Covid-19-Erkrankte Blutgerinnsel in ihren Gefäßen entwickeln. ©St. Elisabeth Gruppe

„Im Laufe des vergangenen Jahres konnte festgestellt werden, dass eine Infektion mit SARS-CoV-2 nicht nur die Lunge betrifft, sondern auch die Innenwand von Gefäßen und dort Gefäßverschlüsse verursacht“, so Prof. Dr. Timm Westhoff. „Davon sind nicht unbedingt nur die großen Gefäße betroffen, wie beispielsweise bei einer Beinvenenthrombose oder Lungenembolie, sondern es kommt zu Verschlüssen der kleinsten Gefäße in unserem Körper, wie den Lungenkapillaren.“

Die Arbeitsgruppe von Prof. Westhoff untersuchte, welcher Mechanismus für die Entstehung dieser Gerinnselbildung verantwortlich ist. Die Wissenschaftler konnten den sogenannten „Von-Willebrand-Faktor“ als eine mögliche Ursache identifizieren. „Dabei handelt es sich um ein Eiweiß im Blut, das immer dann freigesetzt wird, wenn eine Gefäßinnenschicht geschädigt wird. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn man sich in den Finger schneidet. Es erzeugt dann eine Art Spinnennetz, an dem sich die Blutplättchen festsetzen können, um so die entstandene Wunde zu verschließen“, erklärt der Herner Mediziner.

Überproduktion des eigenen Körpers

Ist eine Person an Covid-19 erkrankt, kann das Virus zu einer Schädigung der Gefäßinnenschicht im gesamten Körper führen. Dies hat zur Folge, dass eine zu große Menge des „Von-Willebrand-Faktors“ freigesetzt wird. „Die geschädigte Gefäßinnenschicht setzt viel zu viel von dem Eiweiß frei, so dass sich die „Spinnennetze“ auch innerhalb der Gefäße ausbilden. Normalerweise kommt dann ein bestimmtes Enzym mit dem Namen ADAMTS13 zum Einsatz. Es funktioniert wie eine Schere und zerschneidet die Netze, wenn sie zu viel sind oder sich an Stellen bilden, die nicht verschlossen werden dürfen – wie beispielsweise Gefäße. Insbesondere bei schwer an COVID-19 erkrankten Patienten wird jedoch so viel ‚Von-Willebrand-Faktor‘ freigesetzt, dass die Schere nicht ausreicht, um die entstehenden Netze zu durchtrennen. In diesem Fall kann es zu Verschlüssen der kleinen Gefäße kommen“, so Prof. Westhoff.

Es kommt auf das Verhältnis an

Für seine Studie hat das Team um Prof. Westhoff das Blut von 75 Covid-Patienten mit mildem bis schwerem Verlauf untersucht und mit dem Blut von gesunden Menschen verglichen. Die Forscher fanden heraus, dass das Verhältnis von „Von-Willebrand-Faktor“ und ADAMTS13 im Körper eine entscheidende Rolle für den Verlauf der Krankheit spielt. „Bei den untersuchten Patienten mit Covid-19 war der ‚Von-Willebrand-Faktor‘ über viermal so hoch wie bei den Gesunden. Bei 19 Prozent der Patienten war davon auszugehen, dass für die vorhandene Menge des ‚Von-Willebrand-Faktors‘ unzureichend ADAMTS13 mit seiner Scherenfunktion zur Verfügung stand. „Je höher das Verhältnis ‚Von-Willebrand-Faktor‘ zu ADAMTS13 war, desto wahrscheinlicher war es, dass der Patient seine Erkrankung nicht überlebt“, fasst Westhoff zusammen. „Die gute Nachricht ist, dass man ‚Von-Willebrand-Faktor‘ mit Hilfe der sogenannten Plasmapherese aus dem Körper entfernen kann. Bei dieser Form der Blutwäsche wird das Blutplasma gefiltert und die Eiweiße des Patienten gegen Eiweiße gesunder Menschen ausgetauscht. Diese Befunde legen nahe, dass man zeitnah untersuchen sollte, ob man mit der Plasmapherese schwer an COVID-19 erkrankten Patienten helfen kann. Erste Studien laufen bereits.“