Gysenberg

Mit Mehlwürmern, Ziegen und Alpakas arbeiten

31. Juli 2020 | Ausgabe 2020/2

Volontärin Gina Günther macht den Selbstversuch als Tierpflegerin

Eine Brücke führt über den kleinen Bachlauf. Das Wasser plätschert in den Ostbach. Zwischen den Bäumen des Revierparks Gysenberg stehen grüne Gitterzäune und rote Dachziegel leuchten über weißen Wänden. Der Tierpark war vor mehr als 50 Jahren ein Zoo, in dem sich Bären, Affen und sogar Löwen tummelten. Volontärin Gina Günther erkundet den heutigen Streichelzoo, indem sie einen Tag hilft, die Tiere zu versorgen.

In der Redaktion kam die Frage auf, wer einen Tag als Tierpfleger arbeiten möchte. Natürlich bin ich dabei. Erst später kamen mir Zweifel: Ich habe keine Haustiere, ich habe mich noch nie um ein Tier gekümmert und jetzt soll ich gleich 96 Lebewesen betreuen? Mit einem leicht flauen Gefühl im Magen betrete ich den Tierpark im Gysenberg.

Die Arbeit als Tierpfleger
13 Schafe, 16 Ziegen, zehn Kaninchen, fünf Meerschweinchen, rund 35 Hühner, zwei Esel, neun Enten und vier Alpakas warten auf mich im Streichelzoo. Die drei Mitarbeitenden Ali Baitin, Manfred Töpfer und Claudia Elbing sind bei Wind und Wetter draußen und versorgen die Tiere. Unter den Fittichen der erfahrenen Tierpflegerin ist das jetzt auch meine Aufgabe. Bereits um 7 Uhr früh starten wir in den Tag: Die Tiere müssen ins Freie.

Gina Günther und Claudia Elbing beobachten die herausstürmenden Enten.

Die Ziegen haben Hunger und bekommen ihr Futter.

Der Nachschub an Heu ist auf dem Weg zu den Tieren.

„Es ist verboten, den Tieren mitgebrachte Brötchen oder Nudeln zu geben. Davon können sie krank werden.“

Ein tierisches Durcheinander
Die Hühner wackeln entspannt an uns vorbei aus dem Stall. Die Tierpflegerin warnt mich vor, als ich mich am Riegel des Entenstalls abmühe: „Die Enten haben eine ganz schöne Geschwindigkeit drauf, stell dich lieber hinter die Stalltür, wenn du sie öffnest.“ Gesagt, getan und in letzter Sekunde in Sicherheit gebracht. Das tierische Durcheinander wird noch größer als die anderen Tiere in ihre Außengehege dürfen. Nur bei den Alpakas muss Claudia einen Stock mit vier rot-weißen Absperrbändern schwingen. „Das ist mein Zauberstab. Damit scheuche ich die Tiere ins Gehege, die nicht auf Anhieb reinlaufen.“

Fütterungszeit
Eine Stunde später bekomme ich langsam Hunger nachdem sich meine erste Aufregung gelegt hat. Aber auch die Tiere verlangen ihr Frühstück. Vorher erzählt Claudia Elbing mir, dass die Besucherinnen und Besucher des Parks die Tiere nur mit den gekauften Pellets aus dem Automaten füttern dürfen. „Es ist verboten, den Tieren mitgebrachte Brötchen oder Nudeln zu geben. Davon können sie krank werden.“ Je nachdem wie viel Wildfutter es von den Gästen gab, variiert die Menge bei der Fütterung am Nachmittag.

Gina Günther bereitet das Futter für die Hühner und Nager vor.

Das Federvieh verschlingt begeistert das frische Buffet.

Eine Lektion in Sachen Mehlwürmern
Claudia zeigt mir, wie ich eine Rippe Heu oder Stroh ausschüttle. Was ich nicht wusste: Eine Rippe ist ein Stück Heu vom Ballen. Es ist gar nicht so einfach, die getrockneten Halme zu lockern. Mehr schlecht als recht versinke ich mit beiden Armen im Heu. Zu einem Buffet aus frischem Obst und Gemüse erhalten die Hühner heute etwas ganz besonderes: Mehlwürmer stehen auf der Speisekarte. Im Gehege stößt Claudia Elbing einen gackernden Ruf aus. Erstaunt sehe ich, dass die Hühner wie auf Kommando zur Tierpflegerin huschen. „Das ist der ‚Mehlwurmlockruf‘ zum Anlocken der Hühner“, erklärt sie mir. Nach kurzem Zögern greife ich in den Becher mit den sich windenden Würmern. Ein Wurf und das Federvieh schießt auf die Snacks zu.

Krafttraining im Schafstall
Noch ist mein Tag als Tierpflegerin auf Probe nicht beendet. Drei Stunden nachdem Claudia mir den ersten Rat erteilte, folgt die Lektion des Tages: „Jetzt misten wir den Schafstall aus. Das machen wir so einmal die Woche“, sagt sie und grinst. Die 37-Jährige weiß, was mich erwartet. Das Ausmisten ist ein Knochenjob. Mir zittern die Arme als ich die schwere Schubkarre voll dreckigem Stroh hinter die Ställe bringe. Ein würziger, aufdringlicher Duft erfüllt den Schafstall. Es ist ein erfüllendes Gefühl, als das frische Stroh federleicht zu Boden schwebt. Die Arbeit ist getan. Der Muskelkater am nächsten Tag ist der Beweis. Gegen 18 Uhr lässt Claudia Elbing die Tiere wieder in die Ställe. Und auch ich verabschiede mich vom Tierpark im Gysenberg – jetzt ganz ohne Zweifel. Denn die Tiere und ich haben uns gut verstanden.

Tierpflegerin Claudia Elbing füttert die Ziegen.

Ein flauschiges Alpaka aus dem Tierpark.

Die hungrigen Ziegen stürzen sich begeistert auf ihr Futter.

Text: Gina Günther     Fotos: Thomas Schmidt