Mit Schwert und ohne Rüstung

10. November 2022 | Ausgabe 2022/3

Seit dem Sommer bietet der Baukauer Turnclub historisches Fechten an

Wer bei historischem Fechten an Kampfgeschrei und Ritter in Rüstungen denkt, wird sich erst einmal wundern: In der Turnhalle der Musikschule geht es recht leise zu, es wird gelacht und die meisten trainieren ohne Helm und Schutzkleidung. Zumindest, wenn es darum geht, die unterschiedlichen Fechttechniken mit dem 1,30 Meter langen Langschwert zu üben. Für den Anfang stehen Schwerter aus Kunststoff zur Verfügung, später kommen stumpfe Schwerter aus Stahl zum Einsatz. Wenn die Teilnehmenden das Gelernte beim Sparring ausprobieren wollen, schlüpfen sie in Schutzkleidung und Fechtmaske. 15 Mitglieder zwischen 16 Jahren und Mitte 50 hat die neue Gruppe des Baukauer Turnclubs (BTC), etwa die Hälfte davon sind Frauen. Trainer Daniel Heumann stellt im Interview seine Sportart vor.

inherne: Was macht man beim historischen Fechten?
Daniel Heumann: Wir trainieren Fechttechniken, meistens mit dem Langschwert. Es gibt noch viele andere Waffen, mit denen wir trainieren könnten, zum Beispiel Dolche, lange Messer, Stangenwaffen.

„Die Fitness ist nicht so wichtig, weil man individuell trainiert.“

inherne: Woher weiß man, wie in früheren Jahrhunderten gefochten wurde?
Daniel Heumann: Wir interpretieren historische Fechtbücher. Es gibt Werke von 1180 bis ins 18. Jahrhundert. Wir benutzen Bücher vom 13. bis 16. Jahrhundert. Sie wurden in verschiedenen Dialekten und in verschiedenen Zeiten geschrieben, was heute nicht ohne Weiteres verständlich ist. Es gibt Versformen, also Reime, die von sogenannten Glossisten ausgeführt werden. Aber auch das muss man erstmal verstehen, denn die Bücher waren nicht als Lehrbücher gedacht, sondern als Notizen für diejenigen, die schon fechten können. Zum Beispiel ist beschrieben, was man mit den Armen macht, aber nicht die Beintechnik.

inherne: Wie bist du zum historischen Fechten gekommen?
Daniel Heumann: Ich habe früher Eishockey gespielt und bin im Studium nach Bochum gezogen. Eigentlich habe ich nach einem neuen Verein in dem Bereich gesucht, bin dann aber online auf eine Fechtgruppe in Dortmund gestoßen. Dort bin ich geblieben und Trainer geworden.

inherne: Was muss man können, wenn man historisches Fechten trainieren will?
Daniel Heumann: Grundsätzlich muss man ein Schwert festhalten und einen Fuß vor den anderen setzen können. Die Fitness ist nicht so wichtig, weil man individuell trainiert. Fürs Erste braucht man nur Turnschuhe und Sportsachen, erst später braucht man ein Schwert und, wenn man Turniere fechten will, Schutzkleidung.

inherne: Was für Menschen kommen zum historischen Fechten?
Daniel Heumann: Das ist unterschiedlich, manche sind historisch interessiert, andere kommen aus dem Kampfsport, wieder andere wollen sich fit halten. Man muss auch keine Wettkämpfe fechten, wenn man nicht möchte. Bei den meisten Gruppen sind es überwiegend Männer, in Herne haben wir etwa zur Hälfte Frauen, das ist etwas Besonderes. Für Frauen ist das besser, wenn sie kompetitiver fechten wollen, denn in der Reichweite sind ihnen die Männer meist wegen ihrer Größe überlegen.

inherne: Und wenn man keine Turniere fechten möchte?
Daniel Heumann: Dann kann man einfach so trainieren oder eine Fortbildung zum Kampfrichter machen. Beim Fechten sind die Kämpfer sehr höflich, da muss man keine Sorge vor Auseinandersetzungen haben. Wir besuchen auch Workshops anderer Vereine oder machen Ausflüge, zum Beispiel sind wir gemeinsam ins Klingenmuseum gefahren.

inherne: Wann und wo trainiert ihr?
Daniel Heumann: Wir trainieren mittwochs ab 20 Uhr in der Turnhalle der Musikschule an der Gräffstraße und sonntags ab 19 Uhr in der Turnhalle des Haranni-Gymnasiums in der Hermann-Löns-Straße 58.

Weitere Infos gibt es unter btc-herne.de/sportangebot.

„In Herne haben wir etwa zur Hälfte Frauen, das ist etwas Besonderes.“

Interview und Fotos: Nina-Maria Haupt