Leckeres

Naschen erwünscht

31. Juli 2020 | Ausgabe 2020/2

Auf städtischen Obstwiesen dürfen Bürgerinnen und Bürger ernten

Es ist ein Bild wie aus der Werbung: Auf einer Wiese stehen blühende Obstbäume, Vögel singen im Geäst, Bienen schwirren summend von einer Blüte zur nächsten. Unter einem Baum steht eine kleine Bank aus Holz. Ganz leise rauscht die A42 im Hintergrund. Wer auf den städtischen Streuobstwiesen steht, vergisst schnell, dass er sich mitten in einer Großstadt befindet.

Lange Tradition
Rund ein Dutzend städtische Streuobstwiesen gibt es in Herne, die meisten befinden sich in Sodingen. „Streuobstwiesen sind Wiesen mit verstreut stehenden Obstbäumen. Früher haben die Bauern Hochstämme gepflanzt, weil darunter Schafe oder Kühe geweidet haben, die nicht an das Obst gekommen sind“, erklärt Martin Pawlicki von der Unteren Naturschutzbehörde. Streuobstwiesen sind ein besonders wichtiger Lebensraum für Vögel und Insekten. Vor allem Bienen und Wildbienen finden hier ihre Nahrungsgrundlage. Aber auch Menschen können auf den städtischen Obstwiesen naschen: „Wir haben eine ungeheure Vielfalt an Obstsorten, mehr als 2.000 in Deutschland. Aber im Supermarkt gibt es nur wenige zu kaufen“, so Pawlicki. Auf den Streuobstwiesen stehen hingegen vorwiegend alte Obstsorten. „Hier findet man eine große Geschmacksvielfalt. Und die Bürgerinnen und Bürger sind herzlich eingeladen, für ihren eigenen Bedarf zu ernten.“

„Streuobstwiesen sind Wiesen mit verstreut stehenden Obstbäumen. Früher haben die Bauern Hochstämme gepflanzt, weil darunter Schafe oder Kühe geweidet haben, die nicht an das Obst gekommen sind.“

Apfelblüte auf einer Streuobstwiese.

Martin Pawlicki von der Unteren Naturschutzbehörde kennt die schönsten Obstwiesen in Herne.

„Man darf für den eigenen Bedarf gerne einen Eimer voll Obst mitnehmen, aber bitte keinen Autoanhänger voll.“

Rücksicht nehmen auf Natur und Menschen
Die Regeln dafür sind einfach: Rücksicht nehmen auf Natur und Mitmenschen. Als erstes sollte man sich vergewissern, dass es wirklich eine öffentliche Fläche ist und kein privater Garten. Anderen Pflückern sollte man etwas übrig lassen: „Man darf für den eigenen Bedarf gerne einen Eimer voll Obst mitnehmen, aber bitte keinen Autoanhänger voll“, erklärt Pawlicki. Auch auf die Bäume sollte man achten und auf keinen Fall Zweige abreißen: „Gerade bei jungen Bäumen verheilen solche Wunden nicht immer. Durch die Wunden können dann Pilze eindringen, die dem Baum schaden oder ihn absterben lassen.“

Pflege ist aufwändig
Die Initiative, in Herne öffentliche Obstwiesen anzulegen, ging 1995 von der biologischen Station östliches Ruhrgebiet aus. Zuerst wurde die Obstwiese an der Hunbergstraße angelegt, danach kamen weitere Flächen hinzu. „In den 50er Jahren gab es sogar Prämien für Bauern, die ihre Streuobstwiesen abgeschafft haben. Heute legen wir wieder welche an, denn sie haben einen deutlich höheren Wert für die Natur als reine Rasenflächen.“ In Herne stehen vor allem Apfelbäume, Kirschen, Pflaumen und Walnuss. Birnen hat die Stadt Herne in den vergangenen Jahren kaum gepflanzt, weil der Birnenrost, eine Pilzkrankheit, den Bäumen sehr zusetzte. Bald sollen aber auch resistente Birnensorten gesetzt werden. Mit dem Pflanzen der Bäume ist es aber nicht getan: Die Pflege einer Streuobstwiese ist aufwändig, denn die Obstbäume müssen kontrolliert und von Fachleuten beschnitten werden, damit sie reichlich tragen und Bienen und anderen Insekten viel Nahrung bieten. Finanziert werden die Obstwiesen und die Pflege durch Förderprogramme und Kompensationsmaßnahmen für Bauvorhaben. Im Programm Emscherland 2020 wird zum Beispiel die Streuobstwiese an der Holper Heide zum Lernort, dort sollen schulpädagogische Konzepte umgesetzt werden.

Eine Karte der Streuobstwiesen.

Bienen willkommen
Zwischendurch hatte die Stadt Herne versucht, die Wiese unter den Bäumen von Schafen kurz halten zu lassen. Der Versuch musste allerdings abgebrochen werden, weil zu oft Hunde von Spaziergängern die Schafe gejagt hatten. Nun sind die einzigen Haustiere auf den Wiesen Bienen, denn die Stadtverwaltung hat örtliche Imker eingeladen, ihre Bienenstöcke auf die städtischen Obstwiesen zu stellen, damit die Bäume bestäubt werden. Für die Zukunft ist geplant, da, wo die Bodenverhältnisse es zulassen, diese Flächen zu Blühwiesen zu entwickeln. Ob das funktioniert, hängt auch davon ab, ob die Flächen von allen Bürgerinnen und Bürgern schonend behandelt werden. Denn die Obstwiesen sollen für alle ein Ort der Erholung in der Stadt sein.

Text: Nina-Maria Haupt     Fotos: Frank Dieper    Karte: Stadt Herne