Neuer Zirkus

Palästinensische Artisten und ihre Geschichte vom Erwachsenwerden

13. März 2015 | Gesellschaft Kultur

Das zarte Pflänzchen "Neuer Zirkus"

"Das zarte Pflänzchen 'Neuer Zirkus' sollte man pflegen", wünschte Festivalleiter Christian Strüder bei der Eröffnung. Es gibt eine Zirkusschule in Berlin, bald soll es auch eine im Ruhrgebiet geben. "Neuer Zirkus" pflegt das Stilmittel Crossover und ist eine Mischung von Artistik, Tanz, Theater, Varieté. Klassischer Zirkus sieht anders aus, worauf Strüder augenzwinkernd Bezug nahm: "Den Zirkusdirektor muss ich hier selbst spielen."

Aber zurück zu den beiden Hauptdarstellern. Fadi Zorrod gehört zum Gründungsteam der Palestinian Circus School, er ließ sich zudem an der Vertigo Circus School in Italien ausbilden. Seine Partnerin an diesem Abend ist Ashtar Muallem, die eine Ausbildung am Centre National des Arts de Cirque CNAC in Frankreich genoss.

Anspielungen auf die feindliche Umwelt

Das Stück beginnt mit Balancier-Darbietungen auf Holzklötzen, die dann zu Figuren aufgebaut, zerstört, hin und her geworfen werden. Sie zeigen, wie Kinder sich auseinandersetzen. Oder sind es doch eher politische Verweise auf die Intifada und Steine werfende Aufständische? Die politischen Anspielungen sind eher rar, mal äußern sie sich in Form von Geräuschen marschierender Soldaten, mal erscheint eine Videoschrift, die an den Freund erinnert, der am Checkpoint getötet wurde, mal sind es Gesten, die an sich ergebende Zivilisten erinnern. Aber alles nur dezent und im Hintergrund.

  • Künstlerischer Leiter Christian Strüder bei der Eröffnung des Cirq’Ouleur Festival in den Flottmannhallen. ©Frank Dieper, Stadt Herne

Wie sehen deine Haare aus

Der familiäre Hintergrund überwiegt. "Ich erinnere mich, wie meine Großmutter mit mir gespielt hat." "Das erste Mal, als ich die Regel bekam, habe ich geweint." Die Sätze Stimmen kommen aus dem Lautsprecher in arabischer Sprache, Inserts an der Videoleinwand liefern die Übersetzung. Die Stimmen werden eindringlicher und warnender: Setz dich richtig hin! Wie sehen deine Haare aus! Das ist verboten! Wir kennen das aus der eigenen Pubertät.

Spezialdisziplinen Chinesische Stange und Vertikaltuch

Währenddessen kommen sich auch die Artisten körperlich näher, sie rangeln und zoffen sich und lieben sich, und alles zusammen in akrobatisch beeindruckender Weise. Dann erobern sie sich ihre Spezialdisziplinen, Fadi Zmorod die Chinesische Stange und Ashtar Muallem das Vertikaltuch. Sehr angenehm ist auch der Musikteppich, mal Geräusche wie das laute Atmen schlafender Menschen, mal Rhythmisches, schließlich wird es spährisch und zuletzt arabisch-folkloristisch.

Eine Stunde dauerte die Vorstellung. Die Zuschauer im vollbesetzten Flottmann-Theater bedankten sich mit warmen Applaus. Macht auf jeden Fall Lust  auf die nächsten Tage.

Text: Horst Martens / Fotos: Frank Dieper

Programm für Freitag, Samstag und Sonntag