„Prima Klima“ mitten in Sodingen
Ein gut gefülltes Planschbecken im Garten vor der Terrasse. Eine Markise spendet Schatten an diesem heißen Junitag. Das Fahrrad steht vor der Haustür, auf der kleinen Straße spielen Kinder. Es ist ruhig am Bruno-Danek-Weg in Sodingen, der so neu ist, dass ihn das Navigationsgerät im Auto (noch) nicht kennt. So neu – weil dort erst im März 2019 nach etwas mehr als einjähriger Bauzeit das Klimaviertel der Stadtwerke Herne zum Leben erwachte.
Sieben freistehende Einfamilienhäuser geben im Schatten der Akademie Mont-Cenis ein Beispiel dafür, wie klimafreundlich, weitgehend energieunabhängig und autofrei modernes Wohnen heute aussehen kann. Mittendrin im „prima Klima“ lebt die vierköpfige Familie Pfeiffer. Selina (4) planscht im aufblasbaren Pool, Lena (9) ist während des inherne-Besuchs auf Klassenfahrt. Mutter Daniela und Vater Carsten hatten Mitte März den Möbelwagen bestellt für den Umzug von der Kirchstraße in Börnig zum Bruno-Danek-Weg 12.
„Wir waren schon länger auf der Suche nach einem eigenen Haus“, erinnert sich Daniela Pfeiffer, „und wir wollten gerne in unserem Stadtteil bleiben, da unsere Mädchen hier die KiTa und die Grundschule besuchen.“ Im September 2017 erfuhren sie von der geplanten Klimasiedlung, besuchten die Informationsveranstaltung der Stadtwerke und entschieden sich für den Kauf des Hauses
auf dem zirka 300 Quadratmeter großen Grundstück, „weil uns auch das gesamte Konzept sehr zusagte.“
Die eigenen vier Wände mitgeplant
Bei den Planungen für die eigenen vier Wände hatten sie Mitspracherecht. Und nutzen dies für die zirka 125 Quadratmeter: „Das Erdgeschoss ist dank eines Durchbruches komplett offen und hat ein Fenster mehr als die anderen Häuser. Und im Gäste-WC wurde eine zusätzliche Dusche eingebaut“, erklärt Carsten Pfeiffer. Weitere individuelle Wünsche erfüllte das Herner Architekturbüro „AGIS PlanenBeraten“ ebenfalls: wie einen begehbaren Kleiderschrank anstatt einer Abstellkammer oder den Fahrradkeller. Eine Fußbodenheizung im Erdgeschoss (Küche, Ess- und Wohnzimmer, Gäste-WC) sowie in der 1. Etage (Schlafzimmer, zwei Kinderzimmer, Bad) gehören zum Standard aller Häuser im Klimaviertel. Im etwa 55 Quadratmeter großen Keller des Einfamilienhauses steht ein wichtiges Detail der autarken, regenerativen Energieerzeugung: eine Wärmepumpe der Herner Firma Waterkotte, einer der mittelständischen Systempartner von „Smart-Tec“, der Dienstleistungsmarke der Stadtwerke Herne. Sie wird angetrieben von der Photovoltaik-Anlage auf dem Dach des Hauses, die mit ihrer Modulfläche von 57 Quadratmetern bis zu 7.500 Kilowattstunden Ökostrom pro Jahr produziert. Die Wärmepumpe für die Heizung läuft dank des selbsterzeugten Solarstroms CO2-frei und transportiert Erdwärme über Grabenkollektoren ins Haus.
Am täglichen Familienleben der Pfeiffers habe der Umzug in eines von sieben Plusenergie-Häusern am Bruno-Danek-Weg nichts geändert. „Beim Waschen, Spülen, Baden oder Duschen sowie Heizen ist der gewohnte Ablauf geblieben“, so Carsten Pfeiffer. Nur der Gang in den Keller passiert jetzt regelmäßiger, „um zu prüfen, wie voll der Speicher ist.“ Denn im Keller steht nicht nur die Wärmepumpe, sondern auch eine weitere Innovation im Klimaviertel – eine hochmoderne Redox-Flow-Batterie, für die Pfeiffers das „Herzstück“ ihres Klimahauses. Mit rund zehn Kilowattstunden Kapazität speichert sie die Energie, die gerade nicht im Haushalt verbraucht wird, in einem Elektrolyt ab und stellt sie als Energie-Reserve bereit. So soll der Strom aus der Photovoltaik-Anlage bis zu 80 Prozent des Haushaltsbedarfs decken. Gegenüber herkömmlichen Akkus zeichnen ssich, so die Stadtwerke, diese Batterien unter anderem durch eine extreme Langlebigkeit aus, selbst eine vollständige Entladung schade ihnen nicht.
Autos parken im Siedlungs-Carport
Bisher läuft bei den Pfeiffers technisch alles nahezu reibungslos, Die Photovoltaikanlage, die Wärmepumpe oder die Batterie werden ständig per Fernwartung geprüft, um einen reibungslosen Ablauf zu garantieren. Carsten Pfeiffer: „Wir wollen natürlich so wenige Strom wie möglich dazukaufen.“ Wie sich der Umzug im eigenen Portemonnaie im Bereich „Nebenkosten“ auswirkt, kann er noch nicht sagen: „Hinter uns liegt ja gerade erst eine kurze Periode. Im nächsten Jahr wissen wir mehr.“ Was die Familie aber heute schon sagen kann, ist, „dass wir den Umzug noch keine Sekunde bereut haben. Hier leben viele junge Familien, wir haben eine Spielstraße vor der Tür, das ist gut für die Kinder und macht vieles leichter“, freut sich Daniela Pfeiffer. Autos bleiben außen vor, sie parken im Siedlungscarport nahe am mit einer Schranke gesicherten Zugangsbereich. Das Be- und Entladen vor der eigenen Haustür ist erlaubt, „und auch nach einem Großeinkauf fahren wir bis ans Haus“, so Carsten Pfeiffer. Für Pakete verfügt das Viertel über eine eigene Logistikstation – und auch die Entsorgung wird klimafreundlich gelöst.
Jochen Schübel