Unterwegs im Rathaus-Keller

Schatzkammer und Arrestzellen

25. November 2016 | Gesellschaft Kultur

Schalldichte Telefonzelle

Wer im Keller aus dem Aufzug steigt, sieht schon bald die erste Überraschung: eine hohe Kabine aus dunklem Holz. In der doppelwandigen Tür ist eine kleine Glasscheibe eingelassen. „Das ist eine alte Telefonzelle", erklärt Ulrike Most, von Beruf Kunsthistorikerin und Expertin für das Herner Rathaus. Die Telefonzelle stand einmal im Sitzungssaal 212 in der ersten Etage. Damit man auch in
Anwesenheit anderer ungestört telefonieren kann, erklärt Most, ist die Telefonzelle schalldicht. Sie musste weichen, weil der vorige Oberbürgermeister Horst Schiereck einen Garderobenständer dort aufstellen ließ. Jetzt kommt sie ins Heimatmuseum.

  • Spitzbuben aufgepasst: Im Herner Rathaus war vor hundert Jahren noch eine Polizeiwache. © Thomas Schmidt, Stadt Herne

Mondschein-Sekt in der Portiers-Wohnung

Ein Stück weiter führt eine Tür zum heutigen Lager, das vom Architekten Wilhelm Kreis als „Wohnung des Portier" in den Bauplan eingezeichnet worden war. Nebenan war ein Raum mit 22 Quadratmetern für obdachlose Frauen vorgesehen, gegenüber sollten auf 26 Quadratmetern die obdachlosen Männer unterkommen. Heute lagern in der Portiers-Wohnung Getränke, mit denen der Rat der Stadt seine Gäste bewirtet – unter anderem mit Wanne-Eickeler Mondschein-Sekt.

Hinter der Panzertür

Da im Erdgeschoss, im heutigen Bildarchiv, 1912 die Polizeiwache war, gab es im
Keller vier Arrest-Zellen. Drei davon sind heute noch übrig, mit gepanzerten Türen, schweren Riegeln und einem verschließbaren Guckloch. Allerdings wird hier niemand mehr eingesperrt. In einer Zelle lagern Unterlagen des Kinder- und Jugendparlaments, in einer anderen ist die Waschküche untergebracht.

In der Schatzkammer

Spannend wird es bei der dritten Zelle: „Schatzkammer" steht auf dem kleinen Schild neben der Tür. „Das Fischgrät-Parkett war im Laufe der Jahrzehnte  schwarz geworden, dann wurde es abgeschliffen und sieht wieder toll aus",   berichtet Kunsthistorikerin Most. Offenbar war die Stadt Herne beim Bau des Rathauses 1912 so wohlhabend gewesen, dass sie sogar Gefangenen einen Parkettboden legen ließ. Heute lagern in der Schatzkammer  Geschenke aus den Partnerstädten und von anderen politischen Gästen.  Viele Gaben sind in Vitrinen auf den Rathausfluren ausgestellt, was dort  nicht mehr hinein passt, liegt in der Schatzkammer. Aus Konin  kamen gerahmte Bilder, Besuch aus Wakefield brachte Kristall mit, aus  Belgorod Porzellan und Holzschalen und Hénin-Beaumont machte mit Goldrand-Vasen Eindruck. Der australische Rotary-Club brachte 2009 einen Bumerang nach Herne. Und türkische Gäste aus der Region Zonguldak ließen für den früheren Oberbürgermeister Schiereck einen Spazierstock schnitzen. Leider konnte der Handwerker kein Deutsch und widmete den Stock dem „Oberburpermünter". Lediglich der russische Plüsch-Löwe Vladimir entkam Keller und Vitrinen und wohnt heute in einem Büro.

Ein Bier-Lager für den Ratskeller

Auf der anderen Seite des Kellers wollte der Architekt den Ratskeller, eine Gaststätte, unterbringen. Mit Bier-Lager, Küche und Buffet. Aber aus unbekannten Gründen wurde der Ratskeller nie in Betrieb genommen. Heute hat die Schul-Poststelle hier ihr Lager. In einem alten Hochlager stehen noch die leeren Kästen für Bleistifte, Anspitzer und Dreiecktücher. Daneben befindet sich das Fotostudio der städtischen Fotografen. Wenn sie in ihren Schränken suchen, finden sie dort Fotos von Herne aus den vergangenen Jahrzehnten.

Für den Luftschutz umgebaut

Hinter einer schweren Metalltür wird die Luft stickig und feucht. An der Wand ein Drehknopf, an der Decke Stahlplatten. „In den 1930ern hat man hier Stahl decken eingezogen und die Räume in einem Luftschutzbunker verwandelt", weiß Ulrike Most. Aus diesem Grund wurde auch eine Belüftungs-Anlage installiert und kleine stählerne Ausgänge als Schlupflöcher eingebaut. Heute stehen im Bunker alte Tische, ein Fahrrad – und die Luft steht auch. Zeit, wieder an die Oberfläche zurück zu kehren.

Nina-Maria Haupt