Woche des Jugendamtes: Jugendhilfe im Strafverfahren und Sozialer Beratungsdienst

Sie kommen, wenn es schwierig wird

16. Oktober 2017 | Gesellschaft

  • ©Thomas Schmidt, Stadt Herne

Abwechslungsreich und sinnstiftend

„Meine Arbeit  ist sehr abwechslungsreich und nicht immer planbar“, erklärt Schmidt. Meist wechseln sich Termine mit Familien, Gespräche mit Kollegen und anderen Netzwerkpartnern sowie Gerichtstermine ab. Aber wenn die Gefährdung eines Kindes gemeldet wird, muss alles andere warten. „Ich mag die Abwechslung. Das kann auch mal stressig sein, aber ich finde es eine sehr sinnstiftende Aufgabe“, findet der Diplom-Sozialarbeiter und Sozialpädagoge. Kommunikation ist vor allem gefragt und die Fähigkeit, sich auf sehr unterschiedliche Gesprächspartner einzustellen. Das können Kinder sein, Familien, Gerichte oder Kollegen.

Ist das Kind in Gefahr?

Drei Schwerpunkte hat die Arbeit im Sozialen Beratungsdienst: Der erste ist, Lebens- und Entwicklungschancen von Jugendlichen zu verbessern und Familien zu unterstützen. Der zweite Aufgabenbereich ist die Mitwirkung bei Gerichtsverfahren, wenn Eltern sich trennen und das Sorgerecht oder das Umgangsrecht geregelt werden müssen. Der dritte ist der Kinderschutz. Wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass ein Kind durch Vernachlässigung oder Gewalt gefährdet ist, besucht er die Familie und prüft, ob er eingreifen muss. Das ist oft eine Gratwanderung: Sieht er, dass es einem Kind nicht gut geht, muss er entscheiden, ob mit etwas Unterstützung die Situation verbessert werden kann oder ob das Kind eine andere Betreuung braucht. Greift das Jugendamt zu früh ein, ist das sehr einschneidend für die Familie. Greift es zu spät ein, ist dem Kind womöglich schon etwas Schlimmes passiert. Voraussehen lässt sich das oft nicht. „Ich kann aus einer Wohnung rausgehen und kurz danach kann doch etwas passieren“, so Schmidt.

Um in solchen Momenten möglichst richtig zu entscheiden, bespricht er sich regelmäßig mit seinen Kollegen. Bei Kinderschutzfällen beratschlagen immer drei Mitarbeiter, und Hausbesuche machen sie immer zu zweit – damit sie sich über ihre Eindrücke austauschen können. „Solche Fälle sind immer eine Herausforderung“, sagt Schmidt, „Ich will nicht sagen, dass es mir nicht nahe geht – aber man muss damit umgehen können.“

Zusammenarbeit mit verschiedenen Stellen

An seiner Arbeit schätzt er besonders, dass bei ihm viele Informationen zusammen laufen. „Das ist spannend, ich mag es, den Überblick über das Ganze zu haben, und ich habe viele Gestaltungsmöglichkeiten.“ Oft entscheidet er über den Einsatz von Sozialarbeitern bei Familien, vernetzt Behörde und freie Träger der Jugendhilfe. „Ich arbeite mit vielen verschiedenen Menschen zusammen und sehe verschiedene Lebensrealitäten – auch wenn die nicht immer schön sind“, resümiert Schmidt.

Attraktiver Arbeitgeber

Auch die Rahmenbedingungen stimmen in seinem Job: Der öffentliche Dienst ist ein attraktiver Arbeitgeber, denn die Arbeitszeiten kann Sebastian Schmidt dank Gleitzeit-Regelung gut mit seiner Familie vereinbaren.

Auch Kerstin Wieczorek schätzt die familienfreundlichen Arbeitszeiten. „Ein sicherer Job ist sehr viel wert für mich“, so die Mutter von zwei Kindern. Aber auch die Inhalte ihrer Arbeit gefallen ihr gut: „Es gibt viele Highlights. Ich arbeite gerne mit den Jugendlichen und ihren Familien zusammen. Dabei verkörpere ich nicht die bedrohliche Behörde, sondern bin diejenige, die den Jugendlichen langfristig hilft.“ Wieczorek berät Jugendliche bis 17 Jahren und Heranwachsende zwischen 18 und 20 Jahren, gegen die wegen einer Straftat ermittelt wird. Sie begleitet sie zum Gericht und spricht Empfehlungen aus. Sie arbeitet unabhängig von Gerichten und Polizei, nimmt aber an den Gerichtsverhandlungen teil und wird regelmäßig nach ihrer Einschätzung gefragt.

„Wie geht Pädagogik mit Recht zusammen?“

Besonders spannend findet die Diplom-Sozialarbeiterin und Sozialpädagogin die Frage: „Wie geht Pädagogik mit Recht zusammen?“ Denn bei Strafverfahren gegen Jugendliche geht es nicht darum, den Täter zu bestrafen, sondern darum, Erziehungsdefizite aufzuarbeiten oder fehlende Reife nachzuholen. Deswegen muss ein Richter nicht Gefängnisstrafen aussprechen, sondern kann alle Arten von sogenannten „Erziehungsmaßregeln“ verhängen; oft auf Wieczoreks Vorschlag hin.

Auch ungewöhnliche Strafen

Auch ungewöhnliche Ansätze sind dabei möglich. Hat ein Jugendlicher etwas kaputt gemacht, kann er verpflichtet werden, es zu reparieren. Oder er muss Sozialstunden machen. Oft muss derjenige auch einen Kurs belegen, den Wieczorek gemeinsam mit der Polizei und einem Rechtsanwalt leitet. Dabei geht es vorwiegend darum, den Jugendlichen klar zu machen, welche Folgen ihr Handeln haben kann. „Jugendliche handeln oft ohne nachzudenken. Durch Nachdenken lässt sich aber viel Mist vermeiden“, hat Wieczorek festgestellt.

Welche Stärken bringen sie mit?

Aber auch wenn es nicht nur um Dummheiten, sondern um schwere Taten geht, ist die Jugendhilfe im Strafverfahren dabei: „Wir schauen: Was bringen die Jugendlichen mit? Was sind das für Menschen? Aus was für einer Familie kommen sie?“ Und nicht zuletzt: Welche Stärken bringt der junge Mensch mit, die er für eine positive Entwicklung nutzen könnte? Bei jungen Erwachsenen zwischen 18 und 21 Jahren muss sie einschätzen, ob der Täter schon als Erwachsener oder noch nach Jugendstrafrecht behandelt werden soll. Dazu muss Wieczorek erkennen, wie weit derjenige in seiner Entwicklung bereits ist.

Bei ihren Fällen hat sie grundsätzlich mit allen Schichten zu tun. Allerdings: „Die schweren Fälle, oder die, die häufiger kommen, sind meistens die, wo es zuhause auch schwierig ist“, weiß sie. Oft kann sie die familiäre Situation gut einschätzen, weil etwa die Hälfte ihrer Termine Hausbesuche sind. Dann geht es darum, Strategien zu finden, wie die Jugendlichen doch noch erfolgreich ihr Leben meistern.

Nina-Maria Haupt