inherne-TV-Tipp

Sönke Möhring und der Geist von Herne

20. November 2015 | Gesellschaft

Siehe auch: Blutsbrüder / Kult-Klassiker als Event-Dreiteiler

Winnetou: So, 25.12./Di,27.12./Do, 29.12. in RTL, 20.15 Uhr

inherne: Über Ihre Heimat – Herne – hört man nicht so viel in den biografischen Angaben des Internet. Immerhin gibt es den Radio-Tatort des WDR, wo sie den Ruhrpott-Dialekt pflegen und ...

Möhring: … da darf ich mal Gas geben. Ich habe große Freude an der Arbeit.

inherne: Wann waren Sie das letzte Mal in Herne und zu welchem Anlass?

"Ich bin regelmäßig in Herne, weil meine Mutter dort wohnt."

Möhring: Ich bin regelmäßig in Herne, weil meine Mutter dort wohnt. Zuletzt vor drei Monaten, im Sommer, es war schön, die Mutter lebt ganz idyllisch. Da ich seit dreieinhalb Jahren Vater bin, hat sich das ein bisschen verändert. Die Strecke Berlin – Herne muss man logistisch dann auch mal zum Wohle des Kindes auch erst mal hinkriegen. Aber es gilt nach wie vor: In Herne, da bin ich gerne.

In Unna geboren, war ich ein halbes Jahr alt, als wir nach Wanne-Eickel gezogen, und vielleicht fünf Jahre, als wir uns 1979 in Herne-Sodingen nieder gelassen haben. Das ist wirklich die Heimat. Wir sind weiter in Wanne-Eickel auf die Schule gegangen, nämlich auf die Hibernia-Schule, wo ich den Kindergarten besucht und mein Abitur gemacht habe. Ein kompletter Durchlauf sozusagen.

Den Großteil meiner Kindheit habe ich im Grünen verbracht. Mein Spielzimmer war der Gysenberg. Bei den Bauern, mit denen wir immer noch Kontakt haben, habe ich Heu geerntet und den Kuhstahl ausgemistet, aber nebenan habe ich mit dem BMX-Fahrrad immer noch irgend welche still gelegte Zechen besucht. Das hat einen geprägt. Auch die Kurve, die runter ging, weil Betriebe still gelegt wurden, habe ich natürlich miterlebt.

inherne: Gab es in Ihrer Kindheit oder Jugend besondere Erlebnisse, an die Sie sich erinnern?

Möhring: Als Kind nimmt man alles anders und viel intensiver wahr. Lauter als es wahrscheinlich gewesen ist, schlimmer, als es wahrscheinlich gewesen ist. Wenn man als Jugendlicher eine Abreibung kriegt, das ist das ein prägender Moment.

Aber ich erinnere mich besonders an ein schönes Erlebnis, das ist auch noch kompatibel für heute. Wir kamen 1980 mit dem voll gestopften VW Variant aus dem Österreich-Urlaub, vier Kinder und die Eltern.

"In Herne ist man gut im Improvisieren und steht zusammen."

Der Keilriemen ging kaputt, es stank fürchterlich nach Gummi. Es war nachts und dunkel, aber keine fünf Minuten später kamen Anwohner zur Autobahnausfahrt Börnig raus – und wenig später lief der Wagen wieder. Der wurde repariert! Nachts! Das ist ein schönes Beispiel für den Geist von Herne. Man ist gut im Improvisieren und steht zusammen.

inherne: Die Beckmann-Kinder besuchten ja auch die Hibernia-Schule – wie Sie und Ihr Bruder. Sie sind beide Schauspieler – so wie die Beckmann-Kinder auch alle Schauspieler geworden sind. Lag es am Schauspieler-Gen in der Familie oder an der Hibernia-Schule?

Möhring: Ich denke, das lag unbewusst an der Erziehung. Wenn ein Kind die Phantasie auslebt, ist das prägend für die Lust am Spiel. Nicht von allen Eltern wird das gefördert, aber sehr wohl von der Hibernia-Schule mit ihrer tollen Schauspielarbeit. Sie war ein erster guter Zugang für mich. Meine Eltern wollten, dass wir Dinge probieren, bevor wir uns darüber ärgern, dass wir es nicht getan haben. Deshalb habe ich meinen Schauspieler-Wunsch hinten angestellt und anderes gemacht.

Sönke Möhring. © Alexander Otto. Sönke Möhring. © Alexander Otto.

Ich habe ja eine kunterbunte Vita. Hier in Berlin habe ich Modevertrieb gemacht, habe anschließend den Vertrieb für eine Jeansfirma geführt, lernte dann Werbekaufmann.

Schauspieler hatte ich immer schon als Wunsch. Bei meinem Bruder lief es schon. Als ich es angehen wollte, war ich schon zu alt für die klassische Schauspielschule. In Deutschland nehmen die einen nur so bis Mitte 20. Ich wollte es aber unbedingt probieren. Nebenan habe ich für einen Verlag gearbeitet, dann da gekündigt, weil man die schauspielerische Arbeit nicht mal ebenso nebenbei machen kann. Man muss sich schon einmal ins kalte Wasser stürzen. Dann habe ich Workshops gemacht, hatte eine Regisseurin, die mich ein wenig protegiert hat, mich hat arbeiten lassen für einen Appel und Ei, und der Spaß und die Lust waren geweckt. So nahm die Schauspielerei ihren Lauf.

inherne: Ihr Bruder hat auch nicht den klassischen Weg beschritten. Und das man sich trotzdem im Filmbusiness durchsetzen kann, finde ich spannend. Haben Sie an der Hibernia-Schule auch Theater gemacht?

Möhring:Da wurde mein Interesse zum ersten Mal geweckt.

Inherne: Können Sie sich an Theater-Stücke erinnern?

Möhring: Ich erinnere mich an den „Besuch der alten Dame“. Und an ein russisches Zarenstück, das meine wunderbare damaligen Klassenlehrerin geschrieben hat, es hieß „Dimitri“.

inherne: Aber dann haben Sie die Bühne sein gelassen und haben sich vollkommen auf den Film konzentriert?

Möhring: Das ist ja schwierig, ohne klassische Schauspielausbildung den Weg übers Theater zu gehen. Aber Theater ist die Krönung, der Ursprung. Irgendwann ergibt sich vielleicht mal, dass ich Theater mache. Abgeneigt bin ich nicht, aber es ist eine andere Arbeit.

inherne: Den ersten Film „Anatomie 2“ haben Sie mit Ihrem Bruder zusammen gedreht und einige andere auch. Mit „Inglourious Basterds“ wurden Sie dann mit einem Schlag einem größeren Publikum bekannt. Mich und viele andere interessiert: Wie ist der Umgang mit den Hollywood-Stars? Woran können Sie sich besonders erinnern?

"Mit Brad Pitt sind wir abends um die Häuser gezogen. Er ist ein total normaler, umgänglicher netter Kollege."

Möhring: Das war abgefahren und dennoch auch normal. Eine sehr gehaltvolle präzise Arbeit, die ich sehr genossen habe.

Mit Brad Pitt sind wir abends um die Häuser gezogen. Er ist ein total normaler, umgänglicher netter Kollege, der auch, wenn er nicht mehr selbst unter Power steht, einen bedingungslos weiter anspielt, während andere Kollegen sich ein Double bestellen.

Es gibt auch Typen, die zum ersten Mal dabei sind und nichts mehr sagen können vor lauter Staunen. Ich habe mich da frei und gut bewegt.

inherne: Und der Regisseur Quentin Tarantino, wie ist der so als Mensch?

Möhring: Das Casting mit ihm bestand aus 90 Minuten Improvisation. Ich liebe das, ab und an mal zu improvisieren. Tarantino ist ein hochintelligenter, feinfühliger Mensch, zu dem ich von Anfang an eine gute Verbindung hatte. Er mag schwierig sein, aber das sind wir alle mal. Wenn es mal laut wurde, habe ich das verstanden, an seiner Stelle wäre ich in der Situation wahrscheinlich auch laut geworden. Ein wandelndes Filmlexikon, der alles und jeden kennt.

inherne: Die Vergleiche mit Ihrem Bruder gehen Ihnen wahrscheinlich manchmal auf die Nerven, aber ...

Möhring: … die Vergleiche sind doch naheliegend, er ist so populär … Derzeit ist er ja gerade in Kroatien und macht den Old Shatterhand.

inherne: … Sie sind doch sehr unterschiedliche Darsteller?

Möhring: Das würde ich vermuten. Die Vergleiche ziehen ja immer andere …

inherne: Aber können Sie beschreiben, welches Ihre Stärken sind?

"Wir sind uns sehr ähnlich auf eine Art, aber optisch dann auch sehr anders, und dadurch auch spielerisch."

Möhring: Das wäre vermessen. Das ist ja gerade das Tolle, dass das Spektrum schier unendlich ist.

Wir sind uns sehr ähnlich auf eine Art, aber optisch dann auch sehr anders, und dadurch auch spielerisch. Er hat ein rundes Gesicht, ich habe ein schmales, er hat blonde, ich habe dunkle Haare.

inherne: Ich kann mir auch vorstellen, dass Sie ein bisschen böser, ein bisschen härter rüberkommen?

Möhring: Ja, da kommt dann die Anatomie ins Spiel, dann geht mein Gesicht, besonders mein Kinn in die Richtung. Aber ich habe mit Bösen auch nicht groß Probleme. In den letzten zwei bis drei Jahren habe ich Rollen gespielt, die mich sehr erfüllt haben, oft tragische, gebrochene Charaktere, oft Familienväter, die Kinder verloren haben. Der Film „Impossible“ ist in Deutschland leider unter gegangen, aber …

inherne: stimmt, ist mir auch aufgefallen, als ich Ihre Filme durchging, den hätte man mal sehen müssen.

Möhring: Ja, der war in Deutschland relativ schnell wieder draußen. Naomi Watts wurde dafür im vergangenen Jahr für den Oscar nominiert. Ich hatte eine Super Zeit mit Ewan McGregor. Der Dreh in Thailand war nach einer wahren Geschichte. Ich spielte einen deutschen Touristen, der Frau und Tochter bei einem Tsunami verloren hatte. Solche Rollen sind überraschenderweise häufiger gekommen in der letzten Zeit: mit viel Trauer und viel Tiefe, viel Fragiles, Ungreifbares. Und das macht mir erstaunlich viel Spaß.

Jetzt geht es bei eins zwei Rollenanfragen um die Rolle des Bösen. Das wird man dann sehen.

Inherne: Welche Pläne gibt es für die Zukunft?

Möhring: Ich drehe jetzt für das ZDF einen Film. Mit Leonard Lansink, den man als Privatdetektiv Georg Wilsberg kennt. Eine ZDF-Komödie mit dem Arbeitstitel „Nur nicht aufregen“.

Im November nehmen wir wieder eine Task Force Hamm auf, also einen Radio-Tatort beim WDR mit Uwe Ochsenknecht und Hans Peter Hallwachs. Da freue ich mich drauf. Was danach kommt – nun, ungelegte Eier erwähnt man nicht.

inherne: Sie verkörpern als gern die Bösen, gebrochene Charaktere – und dann sind dann noch die Ruhrgebietstypen, das ist auch Ihr Ding?

"Wir haben zu Hause nie den Ruhrpott-Dialekt gesprochen, aber ich kann ihn und mach's auch gerne."

Möhring: Die meisten denken, dass ich aus Hamburg komme. Das liegt wahrscheinlich daran, das unsere Eltern Bremer sind. Wir haben zu Hause nie den Ruhrpott-Dialekt gesprochen, aber ich kann ihn und mach's auch gerne. Der Tatort-Detektiv Latotzke hat einen übertriebenen Dialekt, aber beim Drehen kann man das ja durchaus machen.

„Koslowski und Haferkamp“ spielt ja auch in Bochum. Wir haben ja auch ein paar Tage in Herne gedreht. Zum Beispiel im Ex-Knast am Bergelmanns Hof.

Inherne: Sie haben schon erwähnt, dass Sie mit ihrer Familie in Berlin leben?

Möhring: Wir haben einen Sohn. Ludwig Wilhelm heißt er. Wenn schon, denn schon.

Inherne: Nach wem benannt?

Möhring: Wilhelm ist bei meiner Frau und bei mir jeweils in der Familie. Ich finde es eine schöne Tradition, wenn man die Namen an die nächste Generation weiterreicht. Und Ludwig - die Hebamme hieß Frau Ludwig. Wahrscheinlich eine von Adrenalin unterstützte Idee.

Das Interview führte: Horst Martens