(Spiel)-Kind des Ruhgebietes:

29. April 2024 | Ausgabe 2024/3

Herne hat Till Beckmann geprägt

Regisseur, Schauspieler, Autor, Moderator – nur eine kleine Auswahl der Passionen von Till Beckmann. Kein anderer Name steht in Herne so sehr für das Theater wie der Name Beckmann. Fünf Geschwister, von denen gleich vier in der Branche tätig sind: Das hat definitiv Seltenheitswert.

Neben Till dürften den meisten die Schwestern Lina, aktuelle Preisträgerin der Auszeichnung „Schauspielerin des Jahres“ der Zeitschrift „Theater heute“, und die ebenso mehrfach ausgezeichnete Maja bekannt sein. Bruder Nils macht das schauspielernde Geschwister-Quartett komplett. Neid gegenüber seinen Geschwistern kennt Till indes nicht: „Ihren Erfolg genieße ich und bewundere alle drei sehr. Gleichzeitig habe ich aber von klein auf mitbekommen, welcher Preis für diese Ausnahmeleistungen und speziellen Lebenswege gezahlt werden muss.“ Auch wenn er nun schon seit einigen Monaten in Köln wohnhaft ist: Als Kind des Ruhrgebiets dreht sich das Schaffen Tills schon seit jeher rund um seine Heimat. Geboren 1985 in Recklinghausen-Süd, wurde ihm die Schauspielerei quasi in die Wiege gelegt: „Mein Vater wollte immer Schauspieler werden, aber meine Mutter war dagegen.“ So nutzte Vater Beckmann seine Affinität zur Sprache und war einer der ersten Absolventen des damals noch ganz neuen Studiengangs „Journalismus“ an der Uni Dortmund.

Trotzdem sollte das Theater eine hervorgehobene Rolle im Hause Beckmann und in Tills Jugend spielen. Möglich gemacht hatte das Tills Mutter, die nach der Scheidung von ihrem Mann – Till war damals drei Jahre alt – stets dafür gesorgt hat, dass ihm trotz knapper Kasse alles ermöglicht werden konnte. „Wir hatten es als Familie nicht leicht“, erinnert er sich. „Aber ich glaube, dadurch ist es auch zur sehr engen Bindung unter uns Geschwistern gekommen. Unsere Mutter hat uns nie spüren lassen, wie hoch die Belastungen sind, obwohl es Zeiten gab, in denen wir überhaupt kein Geld hatten.“ Mit seinem Freund Ahmet habe er sich Werbeprospekte angeschaut und sein Traumfrühstück zusammengestellt: Schokoaufstrich, Croissants, Orangensaft – im heimischen Schrank befand sich damals allerdings nur trockenes Toastbrot.

In gewisser Hinsicht sei die schwierige finanzielle Lage der Beckmanns aber auch ein Segen gewesen. „Mutter hat uns wirklich stundenlang vorgelesen, die ganzen Kinderbuchklassiker: Michael Ende, Astrid Lindgren, Paul Maar“, sagt er, und verweist auf die frühkindliche Beziehung zur Literatur, die er dadurch aufbauen konnte. Und: In der Jugendkunstschule durfte jedes der Geschwister ein Instrument erlernen (er wählte das Schlagzeug) sowie Tanz und Theater – sein erster direkter Kontakt mit der Welt, die er heute sein Zuhause nennt.

„Mutter hat uns wirklich stundenlang vorgelesen, die ganzen Kinderbuchklassiker: Michael Ende, Astrid Lindgren, Paul Maar.“

Rund drei Jahrzehnte später hat er eine breitgefächerte Vita vorzuweisen. Mit Frank Hörner und Gabriele Kloke war er lange im theaterkohlenpott, mit seinem Bruder Nils bereiste er mit dem Theater den deutschsprachigen Raum, wurde auf Festivals eingeladen. Eine Zeit, an die er besonders gern zurückdenkt. Trotzdem zog es ihn immer wieder nach Herne und in die Region zurück – im Gegensatz zu seiner Schwester Lina, die mit ihrem Ehemann Charly Hübner heute in Hamburg lebt.

Einer der Gründe dafür sind die vielen prägenden Erinnerungen, die ihn mit Herne und Wanne-Eickel verbinden: unter anderem die vielen Auftritte, zum Beispiel in der Alten Druckerei und der Buchhandlung Koethers und Röttsches, der Kreuzkirche oder dem alten Wartesaal im Herner Bahnhof. Auch der Verein Pottporus, der sich seit seiner Gründung 2007 dem Hip-Hop widmet, ist für Beckmanns Vita bedeutsam. Er war in viele Projekte involviert und mit Pottporus-Chef, Zekai Fenerci, ist er bis heute befreundet.

Die Kunst- und Kulturszene in Herne und dem Ruhrgebiet wächst auch nach der Kulturhauptstadt Ruhr.2010, die Stadt möchte das mit Projekten wie die Neuen Künste Ruhr, der Internationalen Gartenausstellung IGA2027 oder URBANE34 in Kooperation mit dem Regionalverband Ruhr (RVR) weiter forcieren. „Ich könnte so viele weitere tolle Projekte, interessante Veranstaltungsorte oder herzerhebende Menschen aus Herne und Wanne-Eickel nennen, die mich auf die ein oder andere Art geprägt haben“, schwärmt er.

Text: Daniel Djan     Fotos: Mischa Lorenz, privat