Asche

Staubig, knüppelhart, matschig

21. Februar 2020 | Ausgabe 2020/1

Aschenplätze verschwinden allmählich von der Herner Fußball-Landkarte

Asche! Generationen von Fußballern haben auf ihr gekickt, über sie geschimpft, sich tiefe Schrammen im Oberschenkel oder offene Knie zugezogen. Jeder Fehlpass und jeder technische Aussetzer wurde auf „diesen blöden Aschenplatz geschoben“. Denn im Sommer war er staubig, im Winter knüppelhart, dazwischen matschig! Vergangenheit? In Herne noch nicht ganz – aber absehbar. „Spätestens in 15 Jahren wird es keinen Aschenplatz mehr geben“, prophezeit einer, der es wissen muss.

Ruhrgebietskultur
Denn Rüdiger Döring (50), stellvertretender Leiter des städtischen Fachbereichs Sport, hat in Herne bisher jeden Umbau eines Aschen- in einen Kunstrasenplatz in Zusammenarbeit mit dem Fachbereich Stadtgrün sowie externen Ingenieurbüros begleitet. Und blickt jetzt, in seiner aktiven Zeit selbst ein Aschenplatz-Kicker, etwas wehmütig auf das Sterben der roten Hartplätze: „Schon schade. Damit fällt ein Stückchen Ruhrgebietskultur weg. Aber seit dem Aus für die Zechen gibt es ja auch kaum noch Material für den Bau eines Aschenplatzes.“ Zechen? Ja, sie waren nicht nur die Paten vieler Ruhrgebietsvereine, sondern lieferten auch die Schlacke als Untergrund für das Spielfeld.

„Der Umbau von roter Asche in künstliches Grün kostet etwa 750.000 Euro, inklusive Lichtanlage und Ingenieursleistungen.“

Elf Tennenplätze
Noch rollt in Herne auf elf Tennenplätzen das runde Leder. Demgegenüber stehen zwei Naturrasen- und zwölf Kunstrasenanlagen, die Planungen für zwei weitere Plätze haben begonnen (Glückauf-Stadion in Sodingen und Horst-Stadion in Holsterhausen). Der Umbau von roter Asche in künstliches Grün kostet etwa 750.000 Euro, inklusive Lichtanlage und Ingenieursleistungen. Hinzu kommt zumeist ein Kleinspielfeld für den Übungsbetrieb, falls noch Geld und vor allem Platz vorhanden ist. Gepflegt wird der grüne Teppich jede Woche – bei trockenem Wetter. Einmal im Jahr rückt der Sportplatz-Trupp von Stadtgrün mit dem ganz großen Kehrbesen an, dann wird intensiv gereinigt, gesaugt und gesiebt. Zehn bis zwölf Jahre, je nach Beanspruchung, hält ein Kunstrasen, dann muss er ausgetauscht werden. Kosten: etwa 250.000 Euro. Döring: „Die Forellstraße, 2003 als erster Kunstrasenplatz umgebaut, und die Reichsstraße wären jetzt dran gewesen. Aber auf diesen Anlagen wird ja nicht mehr gespielt.“ Erneuert wurde bisher nur der Rasen an der Bergstraße, wo es übrigens auch den einzigen Fall von Vandalismus gab – oder war es Sammelleidenschaft? „Da fehlten im Rasen plötzlich der Eck- und der Elfmeterpunkt. Beide wurden herausgeschnitten, wahrscheinlich vom Schützen nach seinem ersten Tor“, erinnert sich der Experte.
Die Mehrzahl der Kunstrasenplätze in Herne ist mit Sand gefüllt. In Zukunft soll verstärkt Kork genutzt werden, zum Beispiel im Horst-Stadion. Auch der Einbau von intelligenten Auffangsystemen für Sand, Gummigranulat, Kork oder Dreck vor dem Eindringen ins Grundwasser, LED-Lampen in den Flutlichtmasten oder sogar ein CO₂-freier Kunstrasen stehen für den wachsenden Umweltgedanken. Rüdiger Döring: „Die Entwicklung im Sportplatzbau ist enorm. Der größtmöglichste Schutz der Umwelt wird in unseren Planungen einen noch stärkeren Einfluss nehmen als bisher.“

„Ich selbst war ja auch ein Aschenpöhler und habe heute noch einige „Erinnerungsstücke“ im Oberschenkel.“

Mythos Aschenplatz? Gibt es ihn wirklich? inherne hat bei einigen Aschenplatz-„Helden“ nachgefragt:

Dirk Bosel (58, 1. Geschäftsführer SC Constantin):
„Klar, vor allem die jungen Spieler des Gegners kommen nicht gerne auf unseren Berg. Aber dass Asche auch für Punkte sorgt, so weit will ich nicht gehen. Sicher ist aber: Wer auf Asche pöhlen kann, kann es auch auf allen anderen Plätzen.“

Sebastian Saitner (35, Trainer bei Spfr Wanne und SG Herne 70):
„Den Mythos gibt es! Bei 70 hatten wir dadurch einen echten Heimvorteil. Ich selbst war ja auch ein Aschenpöhler und habe heute noch einige „Erinnerungsstücke“ im Oberschenkel. Als Trainer war es aber schwierig, gute, junge Spieler zu einem Verein mit Aschenplatz zu holen. Das war ein echtes No-Go.“

Frank Stockey (50, Physiotherapeut und Interimstrainer beim FC Herne 57):
„Ja, Asche ist ein Mythos. Wer erinnert sich nicht gerne an geniale Zauberpässe, die in Pfützen liegenblieben, oder an hohe Bälle, die im Sommer gefühlte fünf Meter hoch tickten. Aus physiotherapeutischer Sicht haben sich die Verletzungen verändert: auf Asche Abschürfungen, auf Kunstrasen Verbrennungen an der Haut. Statistisch gesehen hat sich die Anzahl der Band- und Meniskusverletzungen auf Kunstrasen nur leicht erhöht.“

Text: Jochen Schübel     Foto: Bildarchiv Stadt Herne (Titelbild) und Peter Monschau, WAZ