„Umdenken ist wichtig“

9. Mai 2021 | Ausgabe 2021/2

In Herne ist während der Pandemie mehr Abfall angefallen als zuvor

Jeder von uns produziert ihn tagtäglich, keiner möchte ihn haben: Müll ist auch in Herne ein wichtiges Thema, wenn über Nachhaltigkeit gesprochen wird. Mit Horst Tschöke, Vorstand von Entsorgung Herne, hat inherne über das Abfallaufkommen während der Pandemie gesprochen.

inherne: Herr Tschöke, Entsorgung Herne kümmert sich um fast alle Arten von Müll in unserer Stadt. Stimmt es, dass während der Corona-Pandemie mehr
Müll entstanden ist?

Horst Tschöke: Das ist auch in Herne so: besonders im Bereich Restabfall, Bioabfall, Sperrmüll und bei den Leichtstoff-Verpackungen, die in den Gelben Säcken gesammelt werden. Wir merken, dass sich das Verhalten der Menschen verändert hat. Sie sind mehr zuhause und kaufen anders ein, bestellen online.
Bei den Leichtverpackungen sind 2020 13 Prozent mehr als im Vorjahr zu verzeichnen. Im Restabfallbereich sind es 4,5 Prozent mehr, beim Bioabfall 10,8 Prozent und beim Sperrmüll 8,2 Prozent. Es gibt aber auch Mengenreduzierungen – zum Beispiel beim Papier: Hier ist das Gewicht um knapp drei Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken.

inherne: Können Sie sich die Reduzierung erklären?
Horst Tschöke: Durch die Zunahme der Online-Bestellungen gab es sicher vermehrt Pappe und Kartons. Und so boten einige Containerstandplätze in Herne im vergangenen Frühjahr ein trauriges Bild. Das ließ erst einmal vermuten, dass Menge und Gewicht des gesammelten Papiers ansteigen würden. Aber: Die Einwurfschlitze der Papiercontainer waren durch nicht genügend zerkleinerte Kartons ‚verstopft‘, obwohl die Container noch nicht voll waren. Viele Kartons wurden einfach neben den Containern abgestellt. Da diese Kartons der Witterung ausgesetzt waren und teilweise als ‚Mülleimer‘ für andere illegal entsorgte Abfälle missbraucht wurden, mussten sie über den Restabfall entsorgt werden und gelangten nicht in die Verwertung. Während es durch die veränderten Alltagsstrukturen durch die Pandemie in den Haushalten eventuell ein höheres Aufkommen an Papier und Pappe gab, fielen dafür größere Mengen bei den Gewerbebetrieben durch Lockdown-Schließungen weg. So ist die Menge an Papier, Pappe und Kartonage, die der Verwertung zugeführt werden konnte, 2020 insgesamt leicht gesunken.

inherne: Was passiert denn mit dem Herner Restabfall?
Horst Tschöke: Entsorgung Herne bringt den Restabfall in die Abfallverbrennungsanlage in Herten. Da wird er verbrannt und thermisch verwertet. So wird aus Abfall Strom und klimafreundliche Wärme. Bei der Abfallverbrennungsanlage sollen ab Ende 2022 unsere Müllwagen Wasserstoff tanken, denn wir werden unseren Fahrzeugpark emissionsfrei aufstellen und wasserstoffbetriebene Sammelfahrzeuge einsetzen. Ein wichtiger Beitrag für Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft: Unsere Sammelfahrzeuge bringen den Abfall aus unserer Stadt, mit dessen Hilfe Wasserstoff erzeugt wird, der dann wiederum von unseren Fahrzeugen an der Anlage getankt wird, um erneut den Abfall unserer Bürgerinnen und Bürger einzusammeln.

inherne: Wohin kommt der Bioabfall?
Horst Tschöke: Bioabfall wird in der Biotonne gesammelt und dann in eine Vergärungsanlage nach Witten gebracht. Dort wird er vergoren und es entstehen Biogas und Kompost. Das Problem bei Bioabfällen ist häufig, dass er in den Haushalten in Plastiktüten entsorgt wird. Da nicht alle Störstoffe aussortiert werden können, ist der Kompost dadurch mit nicht verrottbaren Materialien belastet. So gelangt Plastikmüll auf Äcker und Felder.

inherne: Und das Altpapier verwertet Entsorgung Herne selbst?
Horst Tschöke: Wir verkaufen das Papier an Verwerter. In Papierfabriken werden dann aus dem Altpapier neue Produkte erstellt. Das läuft gut. Wir legen selbst auch viel Wert darauf, dass alle Broschüren und Flyer von Entsorgung Herne auf Recyclingpapier mit dem Umweltzeichen ‚Blauer Engel‘ gedruckt werden. Auch in den Büros unseres Unternehmens wird ausschließlich Recyclingpapier verwendet.

inherne: Haben Sie Tipps für Menschen, die gerne weniger Müll produzieren würden?
Horst Tschöke: Abfälle vermeiden ist ökologisch wertvoller als Recycling, Recycling ist besser als Beseitigen. Es ist gut, das eigene Konsumverhalten zu hinterfragen. Dabei gilt es, Alternativen zur ‚Wegwerfmentalität‘ nicht nur theoretisch zu entwickeln, sondern praktisch zu leben. Schauen wir auf die Elektrogeräte: Ständig kommen neue, noch aktuellere Modelle auf den Markt. In vielen Fällen können sie nicht repariert werden und landen dann schnell wieder auf dem Müll. Die kurze Nutzungsdauer führt zu einem steigenden Ressourcenverbrauch und damit zu einer schnell anwachsenden Belastung für die Umwelt. Bei Entsorgung Herne liegt uns das Thema ‚wiederverwerten statt wegwerfen‘ sehr am Herzen. In Repair-Cafés, bei Upcycling-Workshops und bei Tausch- und Verschenkmärkten zeigen wir, dass es sich lohnt, ,alten Schätzchen‘ eine zweite Chance zu geben. Das ist gut für die Umwelt und Spaß macht es auch. Hinzu kommt die Bildungsarbeit für unsere kleinen Mitbürger und Mitbürgerinnen im Besucherzentrum oder den Einrichtungen in der Stadt. Denn: Umdenken ist wichtig!

Text: Anja Gladisch     Fotos: Frank Dieper