Unterwegs mit dem Schulbegleiter Fabio Brand

20. November 2020 | Ausgabe 2020/3

Sein Engagement endet nicht im Klassenraum

Wer mit Fabio Brand spricht, merkt sofort: Dieser Mann arbeitet gerne mit Menschen. Für den 33-Jährigen ist es mehr Berufung als Beruf, wenn er morgens die Robert-Brauner-Schule betritt und in den nächsten sieben Stunden Tim im Schulalltag begleitet. Fabio Brand ist kein Lehrer, er ist Schulbegleiter.

Strukturierter Tagesablauf
Und damit ist er für Tim (Name von der Redaktion geändert) eine ganz wichtige Vertrauensperson. Schon um 8:15 Uhr nimmt der Herner seinen Schützling auf dem Schulgelände von dessen Eltern in Empfang und sorgt bis 15:30 Uhr für einen strukturierten Tagesablauf. „Für Tim ist genau so ein Tagesablauf absolut wichtig. Dabei soll er seinen Alltag soweit wie möglich selbständig bewältigen. Wenn er aber Hilfe benötigt, weil er sich zum Beispiel nicht mehr konzentrieren kann, unterstütze ich ihn und verlasse vielleicht kurz mit ihm den Raum und mache eine Runde durchs Gebäude“, erklärt Brand die 1:1-Betreuung. 1:1 bedeutet in diesem Fall, dass sich ein Schulbegleiter ausschließlich um einen Schüler oder eine Schülerin kümmert. Insbesondere in den Förderschulen kommt es nicht selten vor, dass mehrere Schulbegleiter gleichzeitig in einer Klasse tätig sind.

„Für Tim ist genau so ein Tagesablauf absolut wichtig. Dabei soll er seinen Alltag soweit wie möglich selbständig bewältigen.“

Fabio Brand vor Schulbeginn an der Robert-Brauner-Schule.

Unterstützung für 115 Schülerinnen und Schüler
Ohne diese externe Unterstützung wäre ansonsten ein Schulbesuch für einige Schülerinnen und Schüler gar nicht oder nur eingeschränkt möglich. Die Schulbegleiter ersetzen keinesfalls die Lehrkräfte, stimmen sich aber eng mit ihnen ab, um die vorhandenen Potenziale und Talente abzurufen und zu fördern. In den Herner Schulen werden aktuell etwa 115 Schülerinnen und Schüler betreut, etwa 40 von ihnen besuchen eine Regelschule. Dabei sind die Diagnosen der Kinder und Jugendlichen sehr unterschiedlich und damit auch der jeweilige Unterstützungsbedarf. Entsprechend vielfältig sind auch die Qualifikationen der Schulbegleiter, die nicht immer Schulbegleiter heißen, sondern auch schon mal Schulassistenten, Integrationshelfer, Inklusionsassistenten oder Individualbegleiter. Genauso unterschiedlich können auch die jeweiligen Qualifikationen sein.

„Mit unserer Arbeit wollen wir einen Beitrag dazu leisten, dass diese Gesellschaft inklusiver wird.“

Inklusionsgedanke stets im Blick
Zum Einsatz kommen spezielle Fachkräfte, aber auch Teilnehmende an einem Freiwilligen Sozialen Jahr oder dem Bundesfreiwilligendienst. „Ein Autist benötigt eine andere Förderung als jemand mit körperlichen Einschränkungen“, sagt Martina Pohl. Sie leitet den Sozialen Dienst der Familien- und Krankenpflege Herne e.V., bei diesem Träger ist auch Fabio Brand angestellt. „Egal, welches Handicap besteht: Unsere Schulbegleiter helfen dabei, ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen zu können“, sagt Martina Pohl und erinnert damit auch an den Inklusionsgedanken: „Inklusion bedeutet für uns, jedem Menschen zu seinem Recht auf gesellschaftliche Teilhabe und Mitwirkung zu verhelfen. Mit unserer Arbeit wollen wir einen Beitrag dazu leisten, dass diese Gesellschaft inklusiver wird.“

Mehr Wertschätzung erwünscht
Genau das ist auch der Grundgedanke von Fabio Brand. Der Herner möchte, dass Tim am gesellschaftlichen Leben teilnimmt. Und da endet das Engagement nicht unbedingt im Klassenraum. Während der Corona-Notbetreuung gab es intensiv pädagogische Einzelförderung. „In dieser Zeit hat Tim das Fahrradfahren erlernt, sogar das Seepferdchen hat er gemacht. Das hat ihm kaum jemand zugetraut“, freut sich der Schulbegleiter über diese positive Entwicklung des Schülers. Der 33-Jährige ist gelernter Kinderpfleger, er verfügt also über eine pädagogische Vorbildung. Für ihn ist das nicht unwichtig. „Ich wünsche mir, dass es insgesamt in unserem Beruf einen größeren pädagogischen Hintergrund gibt. Das würde unsere Arbeit sicherlich aufwerten. Ich übe meinen Beruf mit sehr viel Freude aus, manchmal vermisse ich allerdings die Wertschätzung für unsere Arbeit.“

Text: Michael Paternoga    Titelfoto: Michael Paternoga