Verwahrlosung, Gewalt, sexuelle Übergriffe
Von Nachbarn, vom Kinderarzt, von Lehrern und Erzieherinnen – aber auch von der Polizei und von Spielgefährten: Hinweise darauf, dass in einer Familie etwas nicht stimmt, gibt es von vielen Seiten. Und die „SOS-Antennen“ des Jugendamtes sind dabei immer auf Empfang.
Insgesamt 530 Mal ist der Soziale Beratungsdienst der Stadt Herne im vergangenen Jahr gezielt solchen Hinweisen nachgegangen. Hinsehen, handeln – und helfen, so das Motto. Dabei stellt das Jugendamt immer das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt. „Wird es von den Eltern vernachlässigt? Muss es zu Hause Gewalt oder Misshandlung fürchten? Gibt es sexuelle Übergriffe? Das sind zentrale Fragen, wenn wir einschätzen, ob ein Kind oder ein Jugendlicher akut gefährdet ist“, sagt Stephanie Jordan vom Fachbereich Kinder Jugend und Familie.
Im Ernstfall beraten Fachkräfte
„Im Ernstfall bilden Fachkräfte ein Team, sammeln alle wichtigen Fakten und überlegen: Wie brenzlig ist die Situation? Was ist zu tun, damit Kinder und Eltern nicht überfordert werden? Wichtig dabei ist, dass viele Augen auf die Situation in einer Familie schauen und diese möglichst gut versehen“, erläutert Jordan.
Schließlich komme es darauf an, sich ein umfassendes und differenziertes Bild zu machen. Was genau dann unternommen werde, hänge vom Urteil der Fachleute ab. In jedem Fall gehe das Jugendamt allen Hinweisen nach und baue einen direkten Draht zur Familie auf. Wenn nötig, stünden sie auch unangemeldet vor der Tür. „Wir müssen uns die Lage ganz konkret vor Ort ansehen“, sagt die städtische Mitarbeiterin.
41 Fälle von Vernachlässigung
41 Mal deckten die Fachkräfte des Sozialen Beratungsdienstes in Herne im vergangenen Jahr konkrete Fälle von Vernachlässigung in der Familie auf. 13 Mal erkannten sie psychische und in 36 Fällen körperliche Misshandlungen. Anzeichen für sexuelle Gewalt sahen die Fachkräfte in 19 Fällen.
Immer wieder seien auch besonders junge Kinder betroffen: So lag der Anteil der festgestellten akuten Kindeswohlgefährdung bei Kindern jünger als drei Jahre bei 15 Prozent. Bei akuter Gefahr schlage das Jugendamt sofort Alarm, so Jordan. Alle Räder müssten dann schnell ineinander greifen. Für jede Familie werde rasch eine individuelle Lösung gesucht. „Manchmal reicht den Eltern schon eine Familien-Hilfe, die ihnen zeigt, wie man sich besser um sein Kind kümmert: Frühstück machen, aufräumen, in die Schule bringen, emotionale Zuwendung, Kinder im Alltag unterstützen“, so Jordan vom Fachbereich Kinder Jugend und Familie.
Notbremse bei schweren Fällen
Bei schweren Fällen ziehe das Jugendamt aber auch die Notbremse, hole das Kind – wenigstens vorübergehend – aus der Familie heraus und vermittle in eine Jugendeinrichtung oder in eine ausgewählte Pflegefamilie. „So etwas ist nie leicht und das absolut letzte Mittel“, sagt Jordan – ein „Balance-Akt“. Dieser erfordere Abwägung zwischen dem Wohl des Kindes und dem Recht der Eltern auf Erziehung.
Das Jugendamt gehe also keineswegs nach „Gutdünken“ vor, macht Stephanie Jordan deutlich. Längerfristig eingreifen könne sowieso nur das Familiengericht, welches das Jugendamt dann einschalte, wenn sich Eltern gegen jede Hilfe sperrten.
Stadt setzt auf Prävention
Damit es erst gar nicht so weit kommt, setzt der Fachbereich Kinder Jugend und Familie der Stadt Herne aber von vornherein auf Prävention: „Persönliche Beratungsgespräche und passgenaue Unterstützung im Lebensumfeld sollen Eltern dabei unterstützen, gut für ihre Kinder zu sorgen – damit es erst gar nicht knallt und die Situation nicht eskaliert“, so Stephanie Jordan.
Bildzeile: Der Soziale Beratungsdienst der Stadt Herne, unsere Kinder-schutzkräfte.