Soziales

Volkshaus Röhlinghausen – 20 Jahre sozialer Mittelpunkt

9. Dezember 2014 | Freizeit Gesellschaft Kultur

Eigentlich hat das Volkshaus schon über 90 Jahre auf dem Buckel, denn es wurde 1923 gegründet. Wo auch immer der Zeitmaßstab angesetzt wird: Aus beiden Gründungs-Zeitpunkten gibt es noch heute treue Wegbegleiter. Einer von ihnen ist Günter Varney, der auch ein persönliches Jubiläum feiern kann: Er ist von Anfang an, also seit 20 Jahren, Vorsitzender des ehrenamtlich geführten Volkshaus-Trägervereins. Und Varney selbst nennt dem Stadtmagazin einen weiteren, wenn auch nicht ständigen Wegbegleiter, der schon bei der eigentlichen Gründung 1923 eine Rolle spielte: der MGV Sängervereinigung Röhlinghausen 1877. „Der Chor sang bei der Einweihung“, sagt er. Seit einiger Zeit veranstaltet die Sängervereinigung ihr traditionelles Pfingstkonzert open-Air am „Hügel“ hinter dem Volkshaus oder bei schlechtem Wetter eben drinnen – und nicht mehr im Volkspark Eickel. Ein „Coming home“ sozusagen.

Begrüßung durch „Max“

Einer, der dem Verein auch von Anfang an die Treue hält, ist Rüdiger Pfeiffer, der studierte Lehrer, der das Projekt vor dem Neustart als Mitarbeiter des städtischen Sportamtes betreute und dann hauptamtliche pädagogische Kraft der neuen Einrichtung wurde und bis heute blieb. Wer einen Saal buchen, eine Veranstaltung organisieren oder auch nur besuchen will, kommt an ihm nicht vorbei, denn sein Büro liegt gleich im Eingangsbereich des Volkshauses. Nicht an ihm, aber auch nicht an seinem Hund Max, der häufig zu seinen Füßen liegt und Stammkunden freundlich wedelnd empfängt.

Wer aus dem Zentrum der Stadt Herne zum Volkshaus fährt, muss lange Wege zurücklegen, bis er endlich, in der Nähe zur Stadtgrenze Gelsenkirchen, ans Ziel gelangt. Eben: das Volkshaus wird vom Ortsteil Röhlinghausen geprägt, und der Ortsteil prägt das Volkshaus. Und wer im Ortsteil wirken will, der wird Mitglied im Volkshaus. „Nun hat sich sogar die Kirchengemeinde Röhlinghausen zu uns gesellt, trotz eigenem Gemeindehaus“, freut sich Varney.

Hier treffen sich Vereine und Bürger, hier engagieren sie sich. 21 Vereine und Organisationen haben sich als Mitglieder eintragen lassen – von der AOK bis zum TV Wanne und zuletzt die Kirchengemeinde. Es gibt also gute Gründe, weshalb das Volkshaus sich auch in zehn Jahren erfolgreich im Wettbewerb der Herner Veranstaltungshäuser behaupten kann. Auch über 2019 hinaus, denn so lange läuft der Vertrag mit der Stadt. „Dies ist eine willkommene und preiswertere Alternative zum Kulturzentrum“, unterstreicht Varney werbend. „Wir haben nach dem Kulturzentrum die größte Bühne.“

Ein idealer Ort zum Heiraten

Trotz eines umfangreichen Gastronomieangebotes gilt das „Recht auf Eigenbewirtung“. Die Veranstalter können Essen und Getränke selbst mitbringen. „Das macht das Haus für Familienfeiern attraktiv“, sagt Varney. Für Brautpaare scheint es ein idealer Ort zu sein, den Bund fürs Leben zu schließen. Bunt und exotisch geht es häufig zu. Die deutschen Hochzeiten werden zwar immer kleiner, dafür sind die türkischen, marokkanischen, sri-lankischen, russlanddeutschen Hochzeiten wahre Volksfeste.

120 bis 130 Veranstaltungen zählt Rüdiger Pfeiffer im Jahr. 28 Dauernutzer stehen auf seiner Liste (Sportvereine, eine Showgruppe, eine Stepdance-Gruppe, Lebenshilfevereine, Fitness- und Seniorensport). Die SPD Herne und der Stadtsportbund nutzen das Volkshaus regelmäßig für ihre Veranstaltungen. Der große Saal kann auch in eine Sporthalle umfunktioniert werden. Veranstalter aus Gesundheits- und den Breitensport buchen das Haus gerne. Eine bekannte Akrobatikgruppe aus Röhlinghausen studiert dort ihre Figuren ein. Über die Stadtgrenzen hinaus beachtet werden die Hundeausstellungen, weshalb auch der ortsansässige Hundeverein Mitglied ist.

Die Gelsenkircher Narrenzunft wollte das Volkshaus als Übergangslösung nutzen, solange das Hans-Sachs-Haus in Gelsenkirchen saniert wurde. Die Sanierung in der Nachbarstadt ist abgeschlossen, und der Karnevalsverein ist immer noch im Volkshaus. Auch lokale Jecken verbreiten hier Frohsinn - die Herner Karnevalsgesellschaft HeKaGe ist Volkshaus-Mitglied.

Intimer Charakter

Verfügt ein Saal über eine Bühne, dann ist das Schauspiel nicht fern. Folgerichtig hat sich hier das „TIV“ etabliert, das „Theater im Volkshaus“, eine Theaterspielgruppe, die aus Recklinghausen stammt. Wenn die Aufführungen einstudiert und reif für die Öffentlichkeit sind, wird der Saal auf die halbe Größe eingestellt, oder wie Varney sagt, „zu einem Kleinkunstsaal eingerichtet“. Mit nah an der Bühne platzierten Tischen, auf denen die Namensschilder der Gäste stehen. Für die insgesamt fünf Vorstellungen werden 500 Tickets bereitgestellt. „Der intime Charakter wird sehr geschätzt“, sagt Varney. „Manche nehmen die Namensschilder als Souvenir mit.“

Legendäre Oldienächte

In der großen Variante werden im Saal Tische und Stühle für 378 Gäste platziert. Bei einer Reihenbestuhlung finden etwa 600 Personen Platz, werden auch die Stühle noch entfernt, passen bis zu 1.000 Menschen herein. Was aber selten der Fall ist. Es gab Oldienächte, in denen 700 Musikbegeisterte die Lords oder Graham Bonney feierten und es gibt auch derzeit Galakonzerte mit Graham Bonney und anderen Schlagergrößen. „Für große Musikveranstaltungen fehlen allerdings die Kapazitäten“, räumt Varney ein. Das Volkshaus ist auch kein Lieblingsveranstaltungsort für Bands, weil die Dezibel-Stärke eingeschränkt ist.

Weitere Informationen auf der Homepage des Volkshauses Röhlinghausen

  • Zeichnung vom Stratmanns Hof. © Stadt Herne
Aus Bauernhof wird ein Volkshaus

Auf dem Boden des Volkshauses stand einst der Stratmanns Hof, das größte bäuerliche Anwesen Röhlinghausens. Die Gemeindevertretung Röhlinghausen beschloss am 10. Februar 1921 den Ankauf des Strathmannschen Hofes, um hier ein Volkshaus einzurichten. Am 2. April 1923 wurde es eröffnet. „Volkshäuser“ wurden häufig auf Bestrebungen der Sozialdemokratie, der Gewerkschaften und sozial engagierter Industrieller eingerichtet. Gedacht waren sie für kulturelle und soziale Aktivitäten der breiten Bevölkerungsschichten. Im Dritten Reich wurde es in Goebbelshaus umbenannt und 1943 bei einem Bombenangriff zerstört.

Nach „Dornröschenschlaf“ reanimiert

1960 erfolgte der Wiederaufbau mit einem kurzen Hoch. In den 70-er Jahren geriet das Haus in eine schwierige Situation, es fiel in einen „Dornröschenschlaf“ wie in Chroniken nachzulesen ist. Die Zahl der Veranstaltungen ging zurück. Die Menschen zogen sich ins Private zurück, schauten lieber Fernsehen als Kino. Auch das Land erkannte diesen miesen Trend und initiierte die Förderung öffentlicher Begegnungsstätten. Vor diesem Hintergrund erfolgte die Reanimierung des Volkshauses. Das Ergebnis langjähriger Abwägungen war ein Nutzungskonzept, bei dem ein Verein zur Förderung der Stadtteilarbeit Röhlinghausen die Begegnungsstätte führt, allerdings mit finanzieller Unterstützung durch die Stadt. Eine wichtige Rolle sollte der Sport spielen, weil man überzeugt war, dass über die Sportvereine ein größeres Potenzial erschlossen werden könnte. Das Konzept fand eine breite Unterstützung besonders beim Turnverein Wanne 1885 e.V. und bei dessen 1. Vorsitzenden Günter Varney. Am Ende bildeten drei Sportvereine und der Stadtsportbund Herne den Kern der Gründungsmitglieder des Trägervereins.

Mitarbeiter "flexibel und kundenfreundlich"

Bewährt hat sich auch die Konstruktion, eine hauptamtliche pädagogische Kraft einzustellen, die sozusagen für die Tagesgeschäfte den Hut auf hat. Diese Aufgabe nimmt seit 20 Jahren, seit der Neueröffnung am 4. Dezember 1994, Rüdiger Pfeiffer wahr. Und eigentlich sogar ein wenig länger, denn Pfeiffer war zuvor im Sportamt beschäftigt und hat von dort aus dieses Projekt betreut. „Das Volkshaus haben wir in technisch und verwaltungsfachmännische gute Hände gelegt“, sagt Günter Varney. Zwei Mitarbeiter sind für die technische Betreuung zuständig (Vorbereitung und Überwachung von Veranstaltungen). Besonders stolz ist Varney auf die Riege von vier weiblichen Service-Kräften, die seit vielen Jahren dabei sind und schon quasi zum Inventar gehören. „Wir haben den Ruf, dass unsere Mitarbeiter sehr flexibel sind. Deshalb gelten wir auch als sehr kundenfreundlich.“

Kämpfen um das Fortbestehen

Die Stadt Herne unterstützt den Verein und das Volkshaus mit 185.000 Euro im Jahr, eine Summe, die in vier Tranchen überwiesen wird. In Zeiten knapper Kassen müssen Varney und seine Leute für das Fortbestehen des Volkshauses auch über 2019 hinaus kämpfen – bis dahin gilt der Vertrag mit der Stadt. In den Auseinandersetzungen der politisch zuständigen Bezirksvertretung Eickel wird klar, dass dieses nicht selbstverständlich ist. Deshalb verweist Varney darauf, dass auch Einnahmen erzielt werden: „Von uns fließen auch 42.000 Euro an die Stadt.“ Aber genau so wichtig sind die vielen sozialen und kulturellen Leistungen, die das Volkshaus erbringt.

Ein Zeitungsausschnitt über einen der letzten Tanztees im Volkshaus, erschienen Anfang der 60-er Jahre. Links unten tanzt das Ehepaar Varney.  Ein Zeitungsausschnitt über einen der letzten Tanztees im Volkshaus, erschienen Anfang der 60-er Jahre. Links unten tanzt das Ehepaar Varney.

Günter Varney (68) ist gebürtiger Wanne-Eickeler, war Bochumer Bürger und hat in Gelsenkirchen gelebt. Er ist Gründungsrektor der Erich-Fried-Gesamtschule, die er bis 1997 leitete. Langjähriges Engagement bei der TV Wanne 1885 als stellvertretender Vorsitzender. Den Stadtteil Röhlinghausen lernte er 1972 als Lehrer der Görresschule kennen. Die WAZ dokumentiert, wie der junge Varney mit seiner heutigen Ehefrau bei einer Tanzveranstaltung des Volkshauses das Tanzbein schwingt (Foto).

Rüdiger Pfeiffer, 63, hat als Verwaltungsangestellter angefangen, studierte dann Sport und Geschichte fürs Lehramt der Sekundarstufe I. Kehrte zurück zu den Stadtverwaltungs-Wurzeln. War bei der Stadt als Sportlehrer angestellt, bevor er mit dem Volkshaus-Projekt betraut wurde.

Der Vorstand des Trägervereins besteht aus vier Personen plus einem städtischen Mitarbeiter. Günter Varney (Vorsitzender) TV Wanne 1885 e. V., Jürgen Cokelc (Stellv. Vorsitzender) Stadtsportbund Herne e. V., Hermann Stelter (Kassierer) SC Röhlinghausen e. V., Bernd Fischer (Schriftführer) Stadt Herne.

Text Horst Martens