"Luther was here ..." - Ausstellung im Schloss Strünkede

Von der Dionysius-Glocke bis zum Playmobil-Luther

19. September 2017 | Gesellschaft Kultur

Herne war fast ganz evangelisch

"Es gibt Ereignisse, die sind so einschneidend, dass man sie nicht übersehen darf", nennt Museumsdirektor Dr. Oliver Doetzer-Berweger den Grund für die Thematik der Ausstellung. "Die Reformation war ein Wendepunkt in unserer Geschichte, weil das Mittelalter endete und die Neuzeit anfing." Aber "ein wenig Augenzwinkern" gehöre bei dieser Ausstellung auch dazu, da die Reformation in Herne nicht 500, sondern erst 456 Jahre alt ist. Erst 44 Jahre nach dem Thesenanschlag wandten sich die adligen Patrone auf dem Herner und Wanner Gebiet der neuen evangelischen Kirche zu. "Luther persönlich war natürlich nie in Herne", sagt Kuratorin Linda Oberste-Beulmann, "zumindest gibt es dafür keine Anhaltspunkte. Und: Was hätte er hier auch machen wollen, Herne war ein kleines Dorf. Aber Spuren haben seine Ideen hinterlassen. "Vor der Industrialisierung war fast die gesamte Bevölkerung evangelisch. Erst mit der Zuwanderung aus dem Osten kamen wieder Katholiken in die Stadt." Das Volk orientierte sich an den Reformator, die Herrscher blieben dem Papst treu. So war es zumindest bei den Crangern - und deshalb wurde 100 Jahre darum gestritten, wer die Schlosskapelle nutzen durfte. Und die Strünkeder waren Calvinisten, ihre Untertanen Evangelische.

  • Kuratorin LInda Oberste-Beulmann bei der Pressekonferenz. Impressionen aus der Ausstellung. ©Thomas Schmidt, Stadt Herne

Ein wertvolles Triptychon aus der Cranger Kapelle

Die Exponate zeigen, was von den Orten, an denen die Reformation in Herne ihren Ursprung fand, übrig blieb. 1562 bekannte sich Pfarrer Krafft Messing (Krafft war der Vorname) mit der Dionysius-Kirche in Herne-Mitte den Lutheranern an. Die Dionysius-Kirche musste dem Stadtumbau weichen, aber die Glocke blieb erhalten und steht seit langer Zeit im Schloss Strünkede. Auch einige Strünkeder Steinskulpturen aus dem Grabmal der Kirche sowie eine Totentafel von Ludwig Freiherr von Strünkede aus dem Jahre 1750 verweisen darauf, wie Luthers Lehre hier Fuß fasste. An den ersten evangelischen Pfarrer erinnerte übrigens lange Zeit der auch der Kafft-Messing-Platz, später in Europaplatz umbenannt. In Crange brachte Gerd von Eickel von den Türkenkriegen das Augsburger Bekenntnis mit. Der erste evangelische Pfarrer ist für 1577 verbürgt. Die Cranger Kapelle ist verschwunden, übrig blieb kostbares Inventar, ein Triptychon, das von den Nachfahren gehütet wird. Aber eine Miniaturkopie, zu sehen in der Ausstellung, stellt das dreiteilige Kunstwerk detailgetreu nach. Außerdem zu sehen unter anderen Exponaten: das Modell einer Kirche aus Tausenden von Streichhölzern, ein von Ruky Turan entworfenes Büßerhemd und ein mit Luther-Sprüchen besticktes Kleid.

Shoefti und spitze Messer

Hans-Jürgen Jaworski, Kunst- und Kulturbeauftragter der evangelischen Kirche, zeigt Teile einer Luther-Ausstellung, die zuvor in der Christuskirche in Wanne unter dem Titel "Betreff: Luther" zu sehen war: Ein gespaltener Kopf ("Abspaltun") von Heidrun Motyll belegt, dass zumindest Katholiken heute noch über die Spaltung der Kirche nachdenken. Vergammelte Schuhe jeder Art hat Hans-Jürgen Jaworski auf dem Treppengeländer im Glockenraum aufgehängt. Sie gehören zu einem mehrteiligen Kunstwerk, zu dem noch ein Flickenteppich mit der Aufforderung Jesu "Kommet hier zu mir alle ..." gehört sowie gemalte Banner mit den Sola-Glaubensprinzipien. Wobei die aufgehängten Schuhe sich auf eine heute trendige Kunstform beziehen könnten: das sogenannte Shoefiti (aus "Shoes" und "Graffiti"). Schuhe, meist ausgelatschte Sneakers oder Wanderstiefel, hängen über Telefon- und Stromleitungen, in New York, Sydney und anderswo. Erklärungen dafür gibt es viele -sie könnten auch als Zeichen einer Protesthaltung gelten. Weitere Arbeiten sind unter anderem: Annegret Schraders "Gnade statt Geld", "95" (Thesen) von Monika Wohling, das spannende Lutherporträt von Doris Krämer oder die "Wortmesserspitzen" von Edelgard Sprengel.

Was Luthersocken uns sagen

Ein Teil der Ausstellung zeigt, welchen Einfluss Luther heute noch auf unsere Gesellschaft hat: als Werbefigur für Bier oder als Playmobilfigur. Guten Absatz finden im Lutherjahr wahrscheinlich auch die Luthersocken mit dem Spruch "Hier stehe ich, ich kann nicht anders."

Horst Martens