Wenn die Akkus gut gefüllt sind

20. November 2020 | Ausgabe 2020/3

Unterwegs mit Verkehrsmeister Peter Jablonka

Wie oft Peter Jablonka schon auf der Linie 329 im Stadtgebiet unterwegs war, weiß der Verkehrsmeister nicht. Das überrascht nicht, immerhin sitzt er bereits seit 1987 am Steuer und bildete im Laufe der Zeit zahlreiche Busfahrerinnen und -fahrer aus. So geräuschlos wie in den vergangenen Tagen ist er allerdings noch nie durch Herne gefahren. Der 55-Jährige ist der erste HCR-Busfahrer, der Fahrgäste mit einem Elektro-Bus befördert.

Kaum Geräusche
Die fehlende Geräuschkulisse ist schon ungewöhnlich. Nicht nur für die HCR-Kundschaft, sondern erst recht für den Mann hinter dem Lenkrad. „Fährt der Bus unter 20 Stundenkilometer, erklingt ein Geräusch, damit die Fußgänger nicht überrascht werden“, erklärt Jablonka, der gerade an der Haltestelle „Auf der Wilbe“ eine Seniorin einsteigen lässt. Besonders für ältere Fahrgäste oder Menschen mit Einschränkungen bietet die neue Antriebstechnik, die den Bus bis zu 200 Kilometer bewegt, einen zusätzlichen Vorteil. „Der Bus fährt sehr weich und gleichmäßig an. Das werden unsere Gäste als sehr angenehm empfinden.“ Kaum ausgesprochen, ist die Drosselung aber schon aufgehoben und der Bus beschleunigt enorm.

„Fährt der Bus unter 20 Stundenkilometer, erklingt ein Geräusch, damit die Fußgänger nicht überrascht werden.“

„Hier haben wir an jedem Rad einen Motor. Das sind andere Kräfte, die hier wirken.“

Newtonmeter statt PS
Bei den herkömmlichen „Diesel-Kollegen“ kommt die Kraftübertragung über die Hinterachse. „Hier haben wir an jedem Rad einen Motor. Das sind andere Kräfte, die hier wirken“, kennt sich Jablonka bereits bestens mit der neuen Technik aus. Statt PS geht es jetzt um Newtonmeter. Nach dem Motto: Tanknadel war gestern, zeigt jetzt die Stromanzeige, wie viel Prozent der Kapazität noch zur Verfügung steht. „Im Moment sind wir bei 57,4 Prozent“, verrät ein Blick ins neudesignte Cockpit des „329er“. Die beiden bisher angeschafften, rein elektrisch betriebenen Busse der HCR-Flotte sollen aber auch auf anderen Strecken unterwegs sein. „Vornehmlich soll der Einsatz zunächst auf den Linien 321, 324, 328 und 329 erfolgen sowie vereinzelt auch auf anderen Linien im gesamten Stadt- und Betriebsgebiet“, freute sich bereits vor wenigen Wochen HCR-Geschäftsführer Karsten Krüger, als die Neuanschaffung zum ersten Mal über den HCR-Betriebshof in Herne-Börnig rollte.

Elektromobilität wird großgeschrieben
Auf dem Betriebshof „An der Linde“ sind die beiden E-Busse, die natürlich über USB-Ladeanschlüsse und kostenfreies WLAN verfügen, zwischen den modernen Dieselfahrzeugen noch die Ausnahme. Dabei setzt das Herner Nahverkehrsunternehmen schon länger auf das Thema Elektromobilität. Dienstfahrzeuge der Werkstatt, des Streckendienstes oder auch der Verkehrsmeister sind bereits mit elektrischem Antrieb ausgestattet. Vier weitere neue Busse mit Mild-Hybrid-Technologie werden die Flotte bis Ende 2020 bereichern. Die beiden neuen E-Fahrzeuge stammen von einem der weltweit größten Batterie- und Elektrobusproduzenten, BYD-Auto, und werden schon bald nachts im Depot mit Ökostrom aufgeladen. Die dazugehörige Ladeinfrastruktur auf dem HCR Betriebshof wird in den nächsten Wochen ebenfalls installiert. Gemeinsam mit den Stadtwerken Herne prüft die HCR die Errichtung einer Photovoltaikanlage, um eigenständig die umweltfreundlichen Stromkapazitäten produzieren zu lassen.

Schulung der HCR-Mitarbeitenden
Diese Umstellung bedeutet auch für die Mitarbeitenden der Werkstatt einige Veränderungen. Genauso wie für die Fahrerinnen und Fahrer. Als sogenannter Multiplikator hat Jablonka sein Wissen in den vergangenen Wochen bereits an zehn weitere Mitarbeitende weitergeben. Insgesamt sollen zum Schluss mehr als 200 Personen von Werkstatt bis Fahrerpool geschult werden. Jablonka hat also noch einiges zu tun. Bevor die Weiterbildung ihn wieder fordert, muss er an diesem Tag aber erst einmal seine Schicht im „329er“ zu Ende bringen. Und die ist fast geschafft. Denn am Wanne-Eickeler Hbf steht der Fahrerwechsel an. Da heißt es bei der Übergabe natürlich passend: „Die Akkus sind noch gut gefüllt …“

Text: Michael Paternoga    Titelfoto: Michael Paternoga