Neues Frauenhaus bietet zwei Plätze mehr

Wenn Frauen Zuflucht suchen

8. Mai 2019 | Gesellschaft

Große Nachfrage

15 Plätze, aufgeteilt auf sechs Zimmer, kann das Frauenhaus aktuell anbieten. Die Plätze sind immer alle besetzt. Es kommen auch Frauen mit Kindern, die dann ein eigenes Zimmer beziehen. Die anderen Bewohnerinnen können sich Zimmer teilen. „Wenn wir ein freies Zimmer haben, sieht man es im Internet auf www.frauen-info-netz.de, dann klingelt das Telefon sofort. Vielen Frauen müssen wir absagen“, erklärt Beate Kaupen, die als Diplom-Pädagogin in einem fünfköpfigen Team im Frauenhaus arbeitet und sich auch schon seit mehr als 30 Jahren für Frauen engagiert. Die abgewiesenen Frauen werden aber nicht alleine gelassen. Hier helfen die Mitarbeiterinnen an andere Hilfsorganisationen zu vermitteln.

Brigitte Benthaus ist Gründungsmitglied des Vereins zur Förderung des Frauenhauses Herne e.V. Seit 1978 engagiert sie sich für Frauen. „Damals habe ich Soziale Arbeit studiert und in einer Wohngemeinschaft in der Schaeferstraße gelebt. Mit einer anderen Frauen-WG haben wir uns immer wieder ausgetauscht und über das Thema diskutiert.“ 1979 wurde der Verein zur Förderung des Frauenhauses Herne e.V. gegründet. In den Anfängen habe der Verein Frauen in Privatwohnungen Unterschlupf geboten. „Die Hürden waren hoch. Wir wurden nicht ernst genommen und oft belächelt“, erinnert sie sich. Aber die Frauen setzten sich durch: Am 1. Mai 1981 wurde das Frauenhaus an seinem jetzigen Standort eröffnet. „Das sollte eigentlich nur eine vorübergehende Lösung sein“, so Brigitte Benthaus, die bei der Stadt Herne arbeitet. Die 60-Jährige kann sich noch gut daran erinnern, wie sie hier Bereitschafts- und Nachtdienst hatte. „Wenn Frauen anriefen, habe ich einen Treffpunkt vereinbart und sie abgeholt – auch nachts.“ Damals musste noch mit einem Kohleofen geheizt werden und das Haus war nicht an die Kanalisation angeschlossen. „Das hat sich mittlerweile geändert. Aber die Enge des Hauses und die wenigen sanitären Einrichtungen erschweren das Zusammenleben“, erklärt Benthaus.

  • Die Fotografin Brigitte Kraemer hat das Frauenhaus begleitet und eine Reportage erstellt. Aus ihrer Reportage stammen die Fotos.

Neues Frauenhaus

Umso glücklicher sind die beiden Vorstandsmitglieder jetzt, dass ein neues Frauenhaus gebaut wird. Im neuen Haus wird es auch ein behindertengerechtes Appartement geben, das von zwei Personen bewohnt werden kann, außerdem mehr Einzelzimmer und insgesamt 17 Plätze für Frauen und Kinder. „Es ist toll, dass wir unsere konzeptionellen Ideen umsetzen konnten und die Stadt Herne und die HGW uns so unterstützt“, betont Beate Kaupen. Die Herner Gesellschaft für Wohnungsbau (HGW) wird das neue Frauenhaus bauen, das dann als Mieter einziehen wird. Spätestens im Sommer 2020 wollen sie umgezogen sein. Aber damit werden nicht alle Probleme erledigt sein: Die Finanzierung sei immer wieder ein schwieriges Thema. Bei Frauen, die Sozialhilfe bekommen, werde der Mietbetrag übernommen. Die anderen Frauen seien so genannte „Privatzahlerinnen“, die nach der Gewalt, die sie erfahren haben, noch für ihren Zufluchtsort zahlen sollen. „Meist verdienen die Frauen nicht viel. Eine pauschale Kostendeckung wäre für uns sehr wichtig“, so Brigitte Benthaus, die weiß, dass mit neu ankommenden Frauen erstmal die finanzielle Situation geklärt werden muss. Auch die Personalkosten des Frauenhauses seien nur zu 60 Prozent vom Land gedeckt, sodass Jahr für Jahr Anträge gestellt werden müssen. „Die Kraft und die Zeit könnten wir für etwas anderes gebrauchen“, sagt Beate Kaupen. Deswegen sei das Frauenhaus immer auf Spenden angewiesen. Sie freuen sich über Sachspenden, aber finanzielle Zuwendungen seien flexibler einsetzbar und deshalb hilfreicher. Damit könnten dann Möbel, Spielzeug oder Personalkosten bezahlt werden.

Polizei hilft bei Bedrohungen

Besonders das Personal sei im Frauenhaus existentiell. „Wir vermitteln den Frauen und Kindern erstmal ein Gefühl von Sicherheit und sind auch in der Traumaarbeit geschult“, so Kaupen. Dabei sei die Arbeit nicht einfach: „Es gibt hier regelmäßig Bedrohungssituationen. Denn Männer wollen die Trennung nicht auf sich sitzen lassen“, erklärt Benthaus. Die Geheimhaltung der Adresse des Frauenhauses klappe nicht immer, da manche Frauen ihren Aufenthaltsort an Familie oder Freunde weitergeben. In bedrohlichen Situationen schaltet das Frauenhaus dann die Polizei ein: „Das klappt sehr gut, die Polizei ist immer sehr schnell da.“

Aber ist es nicht traurig, dass das Frauenhaus nach wie vor fast ständig voll belegt ist? „Die Illusion, dass unsere Arbeit überflüssig wird, haben wir schon lange aufgegeben. Aber wir freuen uns, dass sich immer mehr Frauen, die seit Jahren mit gewalttätigen Partnern zusammen leben, trauen, das Angebot in Anspruch zu nehmen.“ Denn unter den Hilfesuchenden sind Frauen jedes Alters vertreten: ganz junge Mädchen, denen die Zwangsehe droht und auch ältere Frauen, die nach Jahren der Gewalt einen Neuanfang wagen. Aber so kräftezehrend die Arbeit auch sein kann, Brigitte Benthaus und Beate Kaupen machen sie mit Herzblut: „Wir schauen auf viele geglückte Biografien zurück. Wenn wir von ehemaligen Bewohnerinnen angestrahlt werden und diese den Aufenthalt im Frauenhaus als gewinnbringenden Teil ihres Lebens sehen, schöpfen wir daraus Kraft.“

Anja Gladisch

Über finanzielle Spenden freut sich das Frauenhaus:
Herner Sparkasse, IBAN: DE70 4325 0030 0045 0097 84, BIC: WELADED 1HRN.