„Wenn man improvisiert, vergisst man Raum und Zeit“

18. November 2021 | Ausgabe 2021/4

Eckard Koltermann spielt Jazz

Schon als Fünfjähriger wusste Eckard Koltermann, dass er Berufsmusiker werden wollte. Ein Cousin, der im selben Haus lebte, war oft in der „jazzwanne“, einem Wanner Jazzclub. „Ich wollte nie etwas anderes machen als Musik. Ich habe mit Gitarre angefangen. Mit 17 bin ich zum Saxophon gewechselt, das hat mich magisch angezogen“, so der 63-Jährige.

Bassklarinette als Soloinstrument der Wahl
Nach der Schule ging er nach Berlin, um Musikethnologie zu studieren. „Mein Professor hat mich ermutigt, Berufsmusiker zu werden, weil er gesehen hat, dass ich lieber geübt als Arbeiten geschrieben habe“, sagt der Eickeler. Also wurde er Berufsmusiker, nach drei Jahren kam die Bassklarinette dazu, die nur selten als Soloinstrument eingesetzt wird. Koltermann spielte es als Solist, erarbeitete sich beim Studium in Amsterdam die viereinhalb Oktaven, die die Bassklarinette umfasst.

„Ich wollte nie etwas anderes machen als Musik.“

Eckard Koltermann und seine Bassklarinette

Wegen der Liebe in Eickel geblieben
Zusammen mit dem Grubenklangorchester nahm er zwei Platten auf, mit dem Ensemble bekam er ein Engagement als Musiker am Bochumer Schauspielhaus. Daraus entwickelten sich weitere Aufträge für Theater- und Filmmusik. Parallel ging er als Jazzmusiker in Europa auf Tour. „Wegen der Liebe bin ich in Herne verwurzelt geblieben. Ich kenne meine Frau aus der Schulzeit“, erklärt Koltermann.
Außerdem gibt er in Recklinghausen Unterricht: „Für mich ist das eine erfüllende Sache. Früher habe ich das anders gesehen, da war das Unterrichten ein Sicherheitsanker. Aber je älter ich werde, desto mehr sehe ich, was ich weitergeben kann: selbstständig zu arbeiten und die Improvisation genauso ernst zu nehmen wie die komponierte Musik.“

Immer wieder Glück gehabt
Koltermann komponiert auch selbst. „Mir ist die Nahtstelle zwischen Komposition und Improvisation wichtig.“ Die Improvisation ist seine Leidenschaft geblieben: „Das ist ganz schnelles Kommunizieren. Man hat unglaublich kurze Reaktionszeiten, muss spüren, was der andere tut, gleichzeitig hören und es umsetzen. Wenn man improvisiert, vergisst man Raum und Zeit.“
Dass er davon leben kann, sei auch Zufall, sagt er. „Ich habe viele Glücksfälle erlebt und Nischen gefunden, gar nicht gezielt gesucht. Heute wundere ich mich über meinen jugendlichen Mut, Berufsmusiker sein zu wollen.“

Text: Nina-Maria Haupt     Fotos: Young-Soo Chang