"Zeichnen als Welterfahrung" mit Zipora Rafaelov und Ansgar Skiba

Wie ein geworfenes Netz

9. Februar 2017 | Gesellschaft Kultur

Der Umgang mit der Linie

Während Zipora einzigartige "Cutouts", also Scherenschnitte, aus Pergament fertigt und andererseits Kunstwerke aus gespannten oder herab hängenden Fäden herstellt, widmet sich ihr Partner Ansgar Skiba ganz der Zeichnung - und das auch auf eine wenig herkömliche Weise. Diese sehr unterschiedlichen Arbeiten bilden einen gemeinsamen Rahmen: "Die Gemeinsamkeit ist der feine Umgang mit der Linie", sagt Ansgar Skiba Die Arbeit mit den Linien gleicht vor allem bei Rafaelov "einem geworfenen Netz".

  • Pressegespräch zur Ausstellung im Schloss Strünkede. ©Thomas Schmidt, Stadt Herne
Ein distinguierter Ort

Die Ausstellung findet im großen Ausstellungssaal des Schlosses statt, sonst eher den Sonderausstellungen vorbehalten. Die Städtische Galerie als Ausstellungsort fiel aus, bedingt durch den Giebelschaden und die kurzfristige Schließung des Gebäudes. Aber die Arbeiten passen selten gut ins Schloss, machen den Saal noch distinguierter.  Museumsdirektor Dr. Oliver Doetzer-Berweger hat das Künstlerpaar zufällig bei einer Ausstellung in den Flottmann-Hallen kennen gelernt. Zipora Rafaelov kennt Herne - sie war im Jahre 1998 in den Flottmann-Hallen bei der Ausstellung "Raum-Licht" beteiligt. Die Künstlerin ist in Israel geboren und hat dort auch schon Kunst studiert, bevor sie nach Deutschland kam, um sich an der Düsseldorfer Akademie fortbilden zu lassen. Ansgar Skiba stammt aus Dresden und ist künstlerisch viel im Ausland tätig gewesen.

Feine Linien mit dem Silberstift

Skiba zeichnet sehr feine Linien mit Gold- und Silberstiften. Kunstinteressierte ohne theoretischen Hintergrund denken wohl an Marker, die eine gold- oder silberfarbige Flüssigkeit aussondern. Nein, es ist das Metall selbst, das eine Farbe auf dem Papier hinterlässt: "So wie ein Nagel, der auf einer weißen Wand einen Strich hinterlässt". Der Goldstift produziert eine graue Linie, der Silberstift eine bräunliche, die sich jedoch durch die Oxydation auch noch mit der Zeit verändert. Skiba zeichnet ganz kurze, fein ziselierte Striche, wie dünne Fäden, sie erinnern an den Pointillismus. Der Stift ändert den Farbton nicht durch Aufdrücken. Dunklere und hellere Passagen entstehen erst durch "Verdichtung und Öffnung".

Gezeichnet in der Natur

Skibas Bilder werden draußen in der Natur angelegt. "Ich sitze draußen und zeichne", sagt er, "es ist keine esoterische Anwandlung, sondern ein Teil meiner Arbeit." Er zeichnet Sonnenauf- und untergänge, einen schmelzenden Gletscher, einen Tornado an der See. Das ist es: "Die Linie als Weltsicht", eine Möglichkeit, zu zeigen, wie er die Welt sieht, "eine Möglichkeit, die Welt zu erfahren". In einem weiteren Schritt entwickelt er die Bilder in seinem Atelier an einem Stehpult. "Manchmal arbeite ich erst nach Jahren daran weiter", sagt er. "Wichtig ist für mich das Prozesshafte."

Verwirrende Linien und Formen

Rafaelov hingegen besticht mit "Cutouts" - mit Scherenschnitten, die anders sind als das, was wir bisher darunter verstanden haben. Auf großflächigem Pergament zeichnet sie mit schwarzer Tusche Linien und Flächen, die zu einem verwirrenden Formenspiel werden. Die weißen Flächen im Innenraum ihrer Darstellung schneidet sie aus. Das Pergament wird in einem Glasrahmen aufgespannt. Beleuchtet, wirft das Spiel aus Linien und Flächen Schatten auf den Hintergrund des Glasrahmens. So entsteht aus der Illusion der Drei-Dimensionalität eine reale Dreidimensionalität. Je länger man das Kunstwerk betrachtet, umso deutlicher sind allerdings auch Figuren zu erkennen, ein Schwan oder auch der Kopf einer Frau.

Die Gegenstände scheinen zu schweben

Von Rafaelovs Fädenkunstwerken ist nur eine Arbeit im Herner Schloss zu sehen - an zahlreichen Fäden hängen kleine Figuren, die nicht eindeutig sind, sondern deren Deutung der Fantasie der Zuschauer überlassen wird. "Man hat das Gefühl, die Gegenstände schweben", sagt Rafaelov. "Es kommt auf die Linie an", betont sie, "ich hätte auch transparente Fäden nehmen können, aber dann würden die Linien verschwinden." Durch das Spiel von Licht und Schatten entstehen Räume - was für alle ihre Arbeiten gilt.

Text: Horst Martens