Wie wird es hier aussehen?

15. Februar 2022 | Ausgabe 2022/1

Ein Blick in die Zukunft

Senkrechte Wände, an denen hängende Gärten in die Höhe wachsen, wo Gemüse geerntet wird, Pilzzucht in Bergwerksstollen oder eine Seilbahn? Wie Herne sich entwickeln wird, liegt auch in der Hand derer, die hier leben.

Rasante Entwicklung
Wer vor 125 Jahren, als Herne zur Stadt wurde, vorausgesagt hätte, dass es im Jahr 2022 keinen Bergbau, keine Zeche und keine Kohlenförderung mehr geben würde, wäre sicherlich ausgelacht worden. Und obwohl Herne rasant gewachsen ist, wäre es für die meisten Menschen wohl unvorstellbar gewesen, dass Herne und Wanne-Eickel in den 1960er Jahren ein Zuhause für 220.000 Menschen waren. Immerhin gab es 1897 nur rund 50 bis 60.000 Menschen auf dem heutigen Stadtgebiet.
Derzeit sind es rund 160.000 und voraussichtlich wird die Größenordnung in absehbarer Zukunft so bleiben. Denn in Herne gibt es nur wenige Flächen, die noch bebaut werden können. Die Flächen, die da sind, werden aber immer beliebter, denn der Blick auf Herne wandelt sich.

Herne wird beliebter
Investoren haben die Stadt jetzt schon entdeckt und auch die Bürgerinnen und Bürger blicken positiver auf ihre Stadt. Weil sie Herne wertschätzen und die Nachfrage steigt, werden sie bereit sein, in Zukunft mehr für ein Haus in Herne zu bezahlen. Das muss keine schlechte Nachricht sein. Neue Häuser entstehen zum Beispiel am Stadtgarten oder am Rhein-Herne-Kanal. Wer kein Haus kauft, wird vielleicht eine neue Wohnung beziehen, die ähnlich wie an der Akademie Mont-Cenis über einem Geschäft, über Praxen und Büroräumen liegt. In einem Gebäude zu arbeiten, zu leben und sich ganz in der Nähe zu erholen, dieser Trend wird sich fortsetzen.
Mit Wohnen am Wasser und mit Blick auf die Grünflächen wird es Herne gelingen, einige gut ausgebildete Menschen aus dem Ruhrgebiet anzulocken, die sich mit ihren Familien in Herne niederlassen. Wer allerdings befürchtet, dass Luxusviertel entstehen könnten, sei beruhigt: Die soziale Durchmischung wird in Herne erhalten bleiben. Das liegt unter anderem daran, dass die Stadt von der Fläche her recht klein ist. Kurze Wege prägen die Stadt.

Kleine grüne Oasen überall
Das sind gute Voraussetzungen, um in Parks und auf Plätzen miteinander ins Gespräch zu kommen. Grüne Ecken wird es mehr und mehr geben, denn die Stadt bereitet sich auf den Klimawandel vor. Mehr grüne Dächer, mehr Stromtankstellen für Elektroautos und mehr Freiflächen zwischen den Gebäuden, dieser Anblick wird Herne prägen.
In den Stadtvierteln entstehen neue, kreative Formen von Läden. Sicherlich werden es keine Kaufhäuser, die Verkaufsflächen werden kleiner, weil mehr Menschen online kaufen. Die Läden dagegen punkten mit Beratung, Service und Erlebnissen, wie die Buchhandlung mit Café, das Café, das auch Lebensmittel verkauft und der Stoffladen, der Nähkurse anbietet.

Aus Industriebrachen werden Stadtviertel
Alte Industrieflächen, die früher nicht gewürdigt wurden, bekommen mehr Aufmerksamkeit. Dort siedeln sich Unternehmen an, es werden aber auch Wohnhäuser entstehen und Bildungseinrichtungen gebaut. Und es wird meist grüner. Je mehr sich Investoren für Flächen in Herne interessieren, desto mehr alte Industrieflächen können aufbereitet werden. Wo früher Werkshallen ganze Straßenzüge prägten, werden sich kleine Straßen und Wege schlängeln, die zu Wohnhäusern führen, zu Technologiefirmen und vielleicht sogar zu neuen Formen der Landwirtschaft.

Leckereien wachsen vor Ort
Da Herne nur wenig Platz hat für Felder und Wiesen, kann zukünftig in die Höhe gegärtnert werden oder direkt auf dem begrünten Dach. Dann kann man im Restaurant den Salat vom eigenen Dach genießen oder den Honig von den Stadtbienen. Vielleicht finden sich auch Möglichkeiten, alte Bergbauschächte zu nutzen. Ob dort nun Algen oder Pilze wachsen, ob Geothermie die Wärme aus den Tiefen der Stollen zum Heizen nach oben bringt: Immer weniger Menschen werden dem Bergbau hinterhertrauern. Stattdessen wird der Nachbergbau immer wichtiger. Schon jetzt wird aus Grubengas Energie gewonnen. Womöglich lässt sich in Zukunft sogar Energie in alten Bergwerken speichern, vielleicht in Form von Pumpspeicherkraftwerken. Wie auch immer Herne in den kommenden Jahrzehnten aussehen wird: Die Stadt wird sich verändern – aber sie wird wiederzuerkennen sein.

Text: Nina-Maria Haupt     Foto: AdobeStock