Zwischen Theorie und Praxis

31. Oktober 2019 | Ausgabe 2019/4

100 Jahre VHS: Leiterin Heike Bandholz spricht über die Vergangenheit und die Zukunft

Text: Anja Gladisch Fotos: Thomas Schmidt, Archiv

Mehr als 600 Veranstaltungen bietet die Volkshochschule im aktuellen Semester an, davon mehr als 400 Kurse, knapp 90 Einzelveranstaltungen, 100 Tages- und Wochenendseminare sowie 17 Bildungsurlaube. Das Interesse an den Angeboten ist auch nach 100 Jahren ungebrochen. Anja Gladisch hat mit Heike Bandholz, Leiterin der Volkshochschule, gesprochen.

inherne: Mit welchen Kursen hat die VHS Herne vor 100 Jahren begonnen?
Heike Bandholz: Dazu gibt es in unserem Archiv Auszüge aus dem ersten Arbeitsplan (Oktober bis
Dezember 1919) der gemeinsamen Volkshochschule Wanne, Eickel und Röhlinghausen: Von sieben Vorlehrgängen ist die Rede. Ihre Funktion war, „die Grundlagen für die in den 16 Hauptlehrgängen zu behandelnden Gebiete zu schaffen“. Im Fokus der Vorlehrgänge standen Deutsch, Rechnen, Geschichte, Erdkunde, Naturkunde und Stenografie. Die Schwerpunkte reichten von der deutschen Sprachlehre über die Vermittlung von Grundrechenarten und Auszügen aus der deutschen Wirtschafts- und Kulturgeschichte bis zur Heimatkunde, den Grundbegriffen der Physik und der Pflanzen- und Tierkunde. Und sehr fortschrittlich in jener Zeit: Englisch für Anfänger. Die Hauptlehrgänge behandelten Themen wie die neue Reichsverfassung, die Hauptreligionsformen der Menschheit oder die Einführung in die Meisterwerke Shakespeares.

Heike Bandholz leitet die Volkshochschule Herne.

Gesprächskreis

Schneiderei

Sprachlabor

Daneben gab es „gesundheitserzieherische Vorträge“, die „Berufsberatung für die weibliche Jugend“ oder auch Angebote zum Erbschafts- und Familienrecht und Übungen zum Chorgesang. In den Anfangsjahren der Volkshochschulen beider Gemeinden lag die Anzahl der „Hörer“ in den ersten Tertialen (Semestern) zwischen 300 und 350. Zehn Jahre nach der Gründung ergab sich bereits ein anderes Bild: Die Statistik der VHS der Gemeinde Herne aus dem Jahr 1929 zählte bereits 41 Kurse und drei Vorträge bei immerhin 1.200 Teilnehmenden.

inherne: Wie ging es dann weiter?
Heike Bandholz: In der Zeit des Nationalsozialismus und der Gleichschaltung öffentlicher Einrichtungen hörten die Volkshochschulen in Herne und Wanne-Eickel im eigentlichen Sinne auf zu existieren. Um so mehr ist zu beachten, dass beide Volkshochschulen (Volksbildungswerke) bereits 1946 und 1947 ihre Arbeit wieder aufnahmen. Die Werte der Weiterbildung zählten wieder und hatten die Zeiten der Gleichschaltung überdauert. Von nun an sollte die Zahl der Teilnehmenden bei einem differenzierten Programm kontinuierlich wachsen. Von Mai 1947 bis Ende 1951 wurden in der VHS Wanne-Eickel acht Semester erfolgreich abgeschlossen. Rund 7500 Hörereintragungen für 300 Arbeits-gemeinschaften (Kurse) wurden gezählt. Neben berufsorientierten Angeboten wie Kurzschrift, Buchführung, Waren- oder Verkaufskunde fanden auch Kreativ- und Gesundheitskurse Eingang in das VHS-Programm. Im Zuge der kommunalen Neugliederung wurden beide Volkshochschulen zusammengelegt. Die VHS Herne führte im ersten Jahr der Zusammenführung durch Bündelung der Kompetenzen 21.000 Unterrichtsstunden durch. Zum Vergleich: Im Jubiläumsjahr 2019 der VHS Herne sind es rund 25.000 Unterrichtsstunden und rund 9000 Teilnehmer – allerdings pro Semester.

Das heutige Team der Volkshochschule Herne im Atrium der VHS Am grünen Ring.

inherne: Welche Kurse waren heute und früher beliebt?
Heike Bandholz: „Dauerbrenner“ sind seit vielen Jahren Yoga und Wassergymnastik sowie Kochkurse der internationalen Küche. Bei den Fremdsprachen liegt neben Englisch Spanisch auf unterschiedlichen Niveaustufen ganz vorn.

inherne: Welche neuen Trends gibt es?
Heike Bandholz: Webinare sind ein neuer Trend. Wir erproben dieses neue Veranstaltungsformat im aktuellen Semester. Ich sehe das als Erweiterung und Bereicherung unseres Angebotsspektrums.

inherne: Gab es im Laufe der Jahre Hypes, die es mittlerweile gar nicht mehr gibt?
Heike Bandholz: Ja, natürlich. Wenn die VHS Aktualität bietet, gilt auch der Umkehrschluss. Heute redet niemand mehr von Aerobic. Das Sprachlabor, in den 70ern als das Instrument des modernen Fremdsprachenunterrichts gepriesen, ist ein Relikt der Vergangenheit, ein Fossil.

inherne: Wie geht es weiter?
Heike Bandholz: Die Bürger dürfen sich darauf freuen, dass wir weiterhin am Puls der Zeit bleiben und Teilnehmerorientierung bei uns wie bisher groß geschrieben wird. Dass wir weiterhin geeignete Lernarrangements anbieten, die geeignet sind, die Scheu vor dem Fortschritt zu nehmen. Wir bieten ein gewohnt aktuelles und seriöses Programm – zwischen Information und Aufklärung, Theorie und Praxis.