Das pottfiction-Camp auf dem Flottmann-Gelände

Das Leben in Pottropolis

24. August 2018 | Freizeit Gesellschaft Kultur

Siehe auch: pottfiction wird europefiction.

Rausgezogen aus der Welt

"Unser Ziel war, hier eine Stadt der Zukunft entstehen zu lassen", sagt Sefa Küskü, 21. Deshalb sind die kleinen Sträßchen auch ausgeschildert: Al-Farabi-Boulevard, Allee der Visionärinnen, Platz der Möglichkeiten. Deshalb gibt es eine Kirche, die sich zu einem Tempel wandelte. Und eine Post, einen Marktplatz sowie eine von den Teilnehmern gewählte Regierung. Aus einem Bauwagen entstand eine Bar, an deren Außenwand ein Putzplan klebt, der städteweise festlegt, wer für Sauberkeit zuständig ist. "Man spürt sehr stark, wie es allen gefällt", sagt Küskü. "Man wird hier reingezogen - und rausgezogen aus der Welt." Er interessiert sich seit langem für Theater, hat in mehreren Produktion des Theaters kohlenpott mitgespielt, auch schon mal inszeniert. Theater ist nicht nur ein Hobby. "Ab der nächsten Woche studiere ich Schauspiel in Köln", sagt Küskü.

  • Pottropolis - die "Stadt der Zukunft" der pottfiction-Teilnehmer. ©Frank Dieper, Stadt Herne.
"Ich mag die Liebe zum Detail"

Ein zweiter Bauwagen dient als Kiosk, in dem es Getränke, gemischte Tüte und Süßigkeiten gibt. Der Kiosk ist zu einer Art Club geworden. "Der Spaß entsteht, weil wir es sehr ernst nehmen", sagt Carina Langanki, 27. Klingt logisch. Und: "Ich mag die Liebe zum Detail in pottropolis." Überall stehen gemütliche Liegestühle und diverse Sitzmöbel rum. Ein kleines Planschbecken mit Einhorn als Maskottchen bietet sich für eine Abkühlung an. "Es ist ein Superort", sagt Carina. "Viele Leute kommen vorbei und interessieren sich für das, was wir machen. Die Jugendlichen haben Bock und unterstützen uns in allem." Carina Langanki ist schon seit 2009 bei pottfiction, jetzt zum ersten Mal als Organisatorin. Sie hat Sport und Gymnastik studiert, ist aber schon länger in der Theaterbranche aktiv. Sie hat ein eigenes Kollektiv für politisches Tanz- und Sprechtheater, das "TransKript 09" in Bochum. Ab sofort wird sie auch als Theaterpädagogin für das theaterkohlenpott in Herne mitmischen.

"Lets talk about was interessant ist"

Im Mittelpunkt von pottfiction ist aber das Theater und die Workshops: Musik, Circuit-Bending, Tanz, Objekttheater und einiges mehr. Gildas Coustier leitet gerade einen Workshop im Theaterraum der Flottmann-Hallen. Nachdem die Teilnehmer einige Tanzfiguren einstudiert haben, setzen sie sich alle in einen Kreis. Gildas Coustier hat die Macht der Gegenstände entdeckt, er steht für Objekttheater: "Lets talk about was interessant ist", sagt Coustier. Tagsüber Theater und Workshop, abends interessante Unterhaltungsangebote: Besuch eines Bauernhofes, eine Bootsfahrt auf dem Rhein-Herne-Kanal. Und später wartet eine weiche Luftmatratze in einem der vielen Zelte im hinteren Teil von Pottropolis. Die Teilnehmer von pottfiction übernachten alle auf dem Gelände.

Ensalata a la Sven Laske

Der Geruch nach Kaffee und anderen Gewürzen bringt uns zu ein Zelt, in dem gekocht wird. Was gibt es heute? "Ensalata Pasta a la Sven Laske", antwortet Nils nicht ganz ernsthaft. Ein halbes Dutzend junger Menschen, die zu Hause gerne kochen, haben sich hier als Köche zusammen gefunden und füllen täglich die leeren Magen. "Hier wird viel improvisiert", sagen sie, mit einem Grinsen im Gesicht. Schon mal was schief gelaufen, ist unsere Frage. "Schon einiges", lautet die Antwort, aber mehr wollen sie nicht sagen. Höchstens: "Hier fliegen viele Wespen rum. Einer wurde auch schon gestochen." Dafür brennen sie jetzt Kaffeepulver ab. Der Geruch soll die Viecher vertreiben. Alles Laien in der Küche also? "Ne, ich habe auch schon zweimal in einer Großküche gearbeitet", gesteht Nils.

Horst Martens