Die Pille danach ist der Renner zur Kirmeszeit

14. August 2023 | Ausgabe 2023/3

Apotheken öffnen für die Notdienste nachts

Weit mehr als 1.000 Apotheken versorgen Nacht für Nacht die Menschen in unserem Land im Fall der Fälle mit Medikamenten. Auch Robert Sibbel muss in seiner Ruhr-Apotheke direkt am Wanner Buschmannshof und der ebenfalls im Familienbesitz befindlichen Paracelsus-Apotheke schräg gegenüber immer wieder Nachtschichten einplanen. inherne hat mit dem erfahrenen Apotheker über die Tücken des Apotheken-Notdienstes bei Nacht gesprochen.

„Nachts spielt vor allem das Telefon eine große Rolle beim Notdienst. Anrufe wie: ,Sind Sie da? Ich komm dann gleich!‘, sind für uns allerdings wenig hilfreich, denn ,gleich‘ ist ein dehnbarer Begriff. Auch wenn nicht gleich wegen jeder Lappalie angerufen wird, würde uns das deutlich entlasten. Manchmal stehen die Kunden vor der Apotheke und rufen bei uns an, weil der Haupteingang geschlossen ist und sie nicht verstehen, dass wir im Notdienstbetrieb sind“, berichtet Robert Sibbel und fährt fort: „Wir sind aber keine Trinkhalle, sondern eine Apotheke. In der Regel geht für uns die normale Arbeit direkt am Folgetag weiter. Umso willkommener sind kurze Ruhephasen in der Nacht. Das klappt natürlich nicht immer, an Sonntagen können es gerne auch mal 100 Kunden sein. Die meisten kommen aber vor 23 Uhr.“

Apotheker Robert Sibbel.

„Keiner darf unversorgt nach Hause gehen.“

Kein Drogeriemarkt
Die Gründe für dieses Verhalten sind laut Robert Sibbel vielfältig, manchmal liege es auch am falschen Verständnis eines Notdienstes. „Verschiedene Tag- und
Nachtrhythmen führen dazu, dass vor allem im Sommer auch spät abends noch Familien mit Kleinkindern kommen und denken, wir hätten ganz normal geöffnet.“ Eine Apotheke sei im Übrigen auch kein Drogeriemarkt, so Sibbel weiter: „Wir haben keine hochspezielle Babynahrung und auch keine Kinderwindeln
im Angebot. Trotzdem wird im Notdienst regelmäßig danach gefragt.“ Naheliegend, aber trotzdem speziell: Die Pille danach ist der Renner zur Kirmeszeit, wird Anfang August in Wanne-Mitte regelmäßig auch nachts nachgefragt.

Schwierig sei der Umgang mit ausgefallenen Beratungswünschen am Telefon, so Sibbel. „Gerne mal mitten in der Nacht, nach ausgiebiger Dr.-Google-Recherche, in der Apotheke anzurufen und nach den Vor- und Nachteilen verschiedenster homöopathischer Mittel zu fragen, ist für uns einfach nervig“.

Medikamente ohne Rezept gibt es grundsätzlich nicht, trotzdem wird regelmäßig und nicht selten hartnäckig danach gefragt. Eher harmlos findet es Robert Sibbel hingegen, wenn nachts jemand vorbeikommt, nur um nach der Apotheken-Umschau zu fragen, verstehen tut er das aber nicht.

Lieferschwierigkeiten
Ein großes Problem sei hingegen die aktuelle Nichtlieferbarkeit vieler Medikamente. Das betreffe auch Antibiotika, die gerade im Notdienst sehr häufig gebraucht werden. „Das klassische Notdienstrezept ist eine Verordnung aus der Klinik oder Ambulanz. Ob Mittelohrentzündung beim Kind oder Zahnentzündung beim Erwachsenen – vieles dreht sich eben um Antibiotika. Wenn Ärzte Medikamente aufschreiben, die selten im Gebrauch sind, sind die Reserven schnell aufgebraucht und wir müssen uns nach Alternativen umsehen, denn unser Anspruch im Notdienst ist klar definiert: Keiner darf unversorgt nach Hause gehen.“

Text: Philipp Stark     Fotos: Frank Dieper, Philipp Stark (Portrait)