Herne baut

Interview mit Karlheinz Friedrichs und Achim Wixforth

27. Februar 2015 | Gesellschaft

inherne: Wie stellt sich die Bausituation in Ihren Augen dar?

Friedrichs: Das Stadtbild ist sehr stark geprägt von Altbauten, und bei den Neubauten hat in den vergangenen Jahren ein ziemlicher Stilmix geherrscht. Sich unter diesen heterogenen Umständen so etwas wie ein baukulturelles Leitbild für die Stadt Herne zu geben, ist nicht leicht.

Siehe auch: "Manche Entwicklungen müssen erst reifen" , Neues Jobcenter nimmt bereits Formen an , Auch auf dem Wohnungsmarkt in Herne ist Bewegung , Die Groß-Baumeister , Bagger und Kräne sind im Dauereinsatz

Wixforth: Der regionale Baukonsens fehlt. Insofern kann über Baukultur in unserer Stadt auch nur bedingt geredet werden. Und der Grad, den man im Rahmen einer Schaffensperiode von Stadtplanung verändern kann - durch Sanierung oder Neubau - beträgt gerade einmal sieben oder acht Prozent. Das bedeutet umgekehrt, dass wir uns mit über 90 Prozent des vorhanden arrangieren müssen. Aber für dies müssen wir eine gewisse Orientierung geben. Das ist der Punkt, an dem wir arbeiten.

inherne: Gibt es Punkte, an denen angesetzt werden kann?

Wixforth: Gemeinsam mit den Wohnungsgesellschaften und bei den Bauten der öffentlichen Hand können wir Qualität schaffen. Das ist ein Ziel des öffentlichen Bauens. Wir haben in Herne keinen quantitativen Neubaubedarf. Wir haben eher einen qualitativen Neubaubedarf. Wir sehen aber durchaus eine Bereitschaft, den Weg Qualität vor Quantität mitzugehen. Es geht also weniger darum, den Massenmarkt zu bedienen, sondern qualitativ hochwertiges Wohnen zu ermöglichen.interview_friedrichs_wixforth__copyright_thomas_schmidt__stadt_herne_007

Friedrichs: Ein positives Beispiel ist die Gestaltung der neuen Häuser an der Gartenstraße. Dort ist eine gemeinsame Klammer zu erkennen. Das zeigt sich unter anderem daran, dass dort beim Bau sehr ähnliche Materialien verwendet wurden. Das führt auch dazu, dass sich die Bewohner mit ihrer Siedlung identifizieren.

inherne: Die Grundstücke an der Gartenstraße waren Teil des Wohnflächenentwicklungsprogramms, kurz WEP. Wie fällt Ihre bisherige Bewertung für das WEP aus?

Friedrichs: Super. Die Flächen, die wir an den Markt gebracht haben, konnten wir auch vermarkten. Und wir haben noch immer Nachfragen.

Wixforth: Auch Flächen, die wir als schwerer vermarktbar eingeschätzt haben, sind gut weggegangen. Das waren angenehme Überraschungen und ein Beleg dafür, dass eine große Dynamik im Bausektor besteht.

inherne: Wo sehen Sie besondere Chancen für den Wohnstandort Herne?

Wixforth: Ich wünsche mir Projekte mit Strahlkraft für die Stadt, für die Region. Projekte, bei denen es weniger darum geht, um der Einwohnerzahl willen viele Wohneinheiten zu schaffen, sondern solche, bei denen man Bauwilligen sagen kann „Schaut euch das mal an, so geht modernes Wohnen heute".

Friedrichs: Durch die Stadtentwicklungsgesellschaft werden wir handlungsfähiger, weil sie verstärkt das tun kann, wozu sie geschaffen worden ist: Akteur auf dem Bodenmarkt zu sein.

inherne: Welche Trends beim Bauen sehen Sie und wie kann Herne diese bedienen?

Wixforth: Es gibt Wellen im Bauen: Flächensparendes Bauen wie es in den 90er-jahren propagiert worden ist, hat sich überdauert. Auch die danach vom Land geforderten Klimaschutzsiedlungen sind aus meiner Sicht schon von gestern. Jetzt sind wir beim nachhaltigen Bauen angelangt. Das heißt: Wie kann ich Wärmeinseln vermeiden, wie hole ich Grün in die Stadt, damit keine Aufheizungen entstehen. Das wird uns beschäftigen. Auch der demografische Wandel ist ein Thema: Was geschieht mit älteren Einfamilienhäusern, für die keine Nachnutzer da sind?

Friedrichs: Für die Zukunft sollten wir uns hier in Herne durchaus auch experimentellen Wohnbauprojekten zuwenden. Projektideen aus der Internationalen Bauausstellung Emscher wie „kinderfreundliches Wohnen" und „autofreie bzw. autoarme Quartiere" kann ich mir in Herne vorstellen. Dieses wären Siedlungsformen, mit denen sich Herne als Wohnstandort auch weit über die Stadtgrenzen hinweg attraktiv machen könnte.

 Wixforth: Ich würde gerne einmal Siedlung unter dem Stichwort "energieautarkes Wohnen" entstehen sehen. Eine Siedlung also, in der der ohnehin heute geringere Energiebedarf aufgrund hochgedämmter Häuser in der Siedlung selbst erzeugt wird durch eine Kombination aus Geothermie und Photovoltaik. Dafür gibt es inzwischen die entsprechende Technik.

inherne: Gäbe es dafür einen Markt?

Wixforth: Ja, den gäbe es.

Friedrichs: Das sind keine Projekte von der Stange. Aber es gibt Menschen, die so etwas umsetzen möchten, ebenso wie es Menschen gibt, die sich für Mehrgenerationenwohnen interessieren. Man muss in einer Stadt solche Möglichkeiten neben den Standrads anbieten.

inherne: Auch von städtischer Seite wird viel gebaut, Belege sind das abgeschlossene Stadtumbauprojekt „jetzt Wanne!" und der begonnene Stadtumbau in Herne-Mitte. Die Stadt investiert, ist aber auf Unterstützung dabei angewiesen.

Achim Wixforth und Karlheinz Friedrichs im Interview mit den inherne-Redakteuren. © Thomas Schmidt, Stadt Herne Achim Wixforth und Karlheinz Friedrichs im Interview mit den inherne-Redakteuren. © Thomas Schmidt, Stadt Herne

Friedrichs: Ohne die Fördermittel von Bund und Land könnte Herne das nicht stemmen, Dafür sind die Aufgaben zu groß und die Finanzlage der Stadt Herne ist ja hinlänglich bekannt.

Wixforth: Das Handlungskonzept für den Stadtumbau Herne-Mitte ist im Ausschuss für Planung und Stadtentwicklung am 19. Februar erörtert und im Hinblick auf Barrierefreiheit und energetische Sanierung öffentlicher Gebäude erweitert worden. Das ist ein neuer Fördertatbestand, den das Land den Kommunen an die Hand gegeben hat. Das gibt uns schöne Möglichkeiten.

Friedrichs: Alle unsere Bemühungen zielen darauf hin, einen Imagewandel für Herne zu erzielen. Dafür sind wir angetreten, und das umfasst aber viele Bausteine. Wir müssen die Marke Herne neu erfinden, damit sich neben den großen Städten der Nachbarschaft behaupten kann.

inherne: Welche Wünsche für das öffentliche Bauen würden Sie Herne gerne erfüllen, wenn Geld keine Rolle spielen würde?

Wixforth: Ein technisches Rathaus in zentraler Lage und in einer Kombination aus alter, denkmalgeschützter Substanz und moderner Nutzung.

Friedrichs: Eine florierende Innenstadt, die Menschen auch aus den Nachbarstädten stärker anzieht, als das heute noch der Fall ist.

Text: Christoph Hüsken