Kein Schiff in Sicht im Oberwasser

14. August 2023 | Ausgabe 2023/3

Eine ruhige Nacht im Schleusenturm Herne-Ost

Die Beleuchtung eines heranfahrenden Sportbootes sucht man in der Dunkelheit vergeblich, auch das tosende Motorengeräusch eines Binnenschiffes ist nicht zu hören. Es ist ruhig in dieser Nacht am Rhein-Herne-Kanal. Für die beiden Schichtleiter Michael Kasper und Björn Xionna fast zu ruhig. Ein Schleusengang der Schleuse Herne-Ost ist erst einmal nicht in Sicht.

Doch das sei nicht ungewöhnlich. „Es kann sein, dass eine Nacht gar kein Fahrzeug schleusen will, in der nächsten Nacht sind es auf einmal zehn oder noch mehr. Jede Schicht ist unterschiedlich, es ist nie vorhersehbar, was passiert. Das gilt aber nicht nur für die Nacht, sondern auch für den Tag“, betont Kasper und blickt konzentriert auf die vielen Monitore im Steuerstand. Wer die Gegebenheiten vor Ort kennt, merkt schnell, dass die Kameras allerdings gar nicht den Bereich Herne-Ost zeigen. Der 56-Jährige bedient per Fernsteuerung die sieben Kilometer entfernte Schleuse in Wanne, die seit 2015 nicht mehr mit Personal besetzt ist.

„Jede Schicht ist unterschiedlich, es ist nie vorhersehbar, was passiert.“

Schichtleiter Michael Kasper und Björn Xionna

Das Schleusengebäude

Blick Richtung Castrop Rauxel

Auch Henrichenburg wird hier gesteuert
Auch die Kammern in Henrichenburg werden von Herne aus über ein digitales Bedienfeld befüllt oder geleert. Kasper: „Anfangs war diese Automatisierung etwas ungewohnt, weil man die Geräusche der Schleuse nicht hörte. Aber inzwischen hat man sich daran gewöhnt.“ Das gilt übrigens auch für den wöchentlichen Wechsel zwischen Früh-, Spätund Nachtschicht. „Für mich kein Problem. Wenn ich nachts arbeiten muss, dann habe ich tagsüber Zeit, andere Dinge zu erledigen“, sagt der gelernte Wasserbauer, der den Begriff Schleusenwärter nicht ganz so gerne hört. Er erinnert lieber an seine offizielle Berufsbezeichnung: Schichtleiter im Schleusenbetriebsdienst der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes.

Im Oberwasser herrscht Richtungsverkehr
So darf sich auch sein Kollege Björn Xionna nennen. Auch der gelernte Schlosser hat in dieser Nacht zwei Kammern im Blick – allerdings vereint an einem Ort. Der 44-Jährige bedient die Zwillingsschleuse Herne-Ost. Und hier hat die Arbeit in der Nacht doch eine Besonderheit. „Im Oberwasser der Schleuse herrscht Richtungsverkehr“, berichtet der gebürtige Herner, der nur drei Kilometer entfernt von seinem Arbeitsplatz wohnt. Richtungsverkehr bedeutet, dass Fahrzeuge mit einer Überbreite (ab 9,65 Meter) und einer -länge (ab 165 Meter) im Oberwasser tagsüber gar nicht fahren dürfen. Diese Schiffe sieht man also in diesem Abschnitt nur nachts zu speziellen Zeiten und in einer bestimmten Richtung. Nicht allerdings in dieser Nacht – von den „dicken Pötten“ keine Spur. Auch das Funkgerät bleibt still. Nicht ganz: Unterbrochen wird die Stille am Funkgerät nur durch eine stündliche Durchsage, da an einer bestimmten Stelle im Rhein-Herne-Kanal etwas langsamer gefahren werden muss. Quasi eine Art Verkehrsfunk für die Schifffahrt.

Kein Schiff in Sicht.

Mit einer Vielzahl von Monitoren lassen sich die Schleusenbecken und das Gelände beobachten.

„Etwas anderes möchte ich nicht mehr machen.“

14 Jahre nach Wesel gependelt
Xionna kannte die Schleuse bereits, als sie sich noch im Bau befand. Da war er fast noch ein Kind. „Dass ich hier einmal selber arbeiten würde, hätte ich damals nicht gedacht.“ Heute hat er als Herner ein Heimspiel. Das war nicht immer so. Die ersten 14 Jahre pendelt er täglich nach Wesel zur Schleuse Friedrichsfeld, wo der Wesel-Datteln-Kanal auf den Rhein trifft. Seit 2014 befüllt er am Rhein-Herne-Kanal die Kammern. Anfangs noch in Gelsenkirchen, später auch in Wanne. Für ihn steht jetzt schon fest: „Etwas anderes möchte ich nicht mehr machen“ und blickt wieder auf seine Monitore. Kein Schiff in Sicht. Es bleibt eine ruhige Nacht am Rhein-Herne-Kanal …

Text: Michael Paternoga     Fotos: Thomas Schmidt