„Mich kennt hier niemand!“

14. August 2023 | Ausgabe 2023/3

Zeitungszusteller Armin Meyer läuft Nacht für Nacht durch Holthausen

Kurz vor Mitternacht. Die Castroper Straße in Holthausen, direkt gegenüber der Teutoburgia-Siedlung. Es ist dunkel, nass und kalt. Es regnet. Ach was, es schüttet. „Quatsch“, lacht Armin Meyer und zieht sich die Kapuze eines
Anoraks über den Kopf, „da hätten Sie mal letzten Samstag hier sein müssen. Da hat‘s geplästert, wie aus Eimern.“ Er muss es wissen. Seit 18 Jahren trägt der 62-Jährige nachts, wenn (fast) alle anderen schlafen, Zeitungen aus. Die WAZ, einige FAZ-Ausgaben, ab und zu mal auch Werbemagazine. Nachts arbeiten ist für ihn Gewohnheit. Er ist gelernter Bäcker, 2005 musste er seinen Beruf aufgeben und bezieht seitdem eine Erwerbsminderungsrente.

Meyers Nachtschicht beginnt immer vor der ehemaligen Sparkassen-Filiale. Dort stapeln sich die aus dem Hagener Druckhaus angelieferten Zeitungen. Früher hat der Zusteller noch ein Auto genutzt, heute geht er zu Fuß, im Handwägelchen lagert er die verpackten Zeitungen. Er sortiert sie nach Straßennamen, legt sie penibel in Taschen, „damit sie nicht nass werden“, und macht sich auf seine ausgeklügelte Route. Lauben-, Pieper-, Baarestraße, immer zuerst die rechte Seite mit den geraden Hausnummern, dann die linke. 15 Kilometer legt er schnellen Schrittes in seiner etwa viereinhalbstündigen Schicht zurück.

Zusteller Armin Meyer

Sechsmal in der Woche unterwegs
Sorgfältig packt der Zusteller die Zeitungen entweder in den Briefkasten oder in ein Zeitungsrohr. Licht kommt nur über die Straßenlaternen, ab und zu hellen Bewegungsmelder oder Fensterlicht die dunkle Nacht auf. Armin Meyer kennt in „seinem Revier“, in dem er seit 2006 tätig ist, jedes Haus. Nur die Leute, die dort wohnen, die kennt er nicht: „Ich kenne niemanden und mich kennt niemand. Postboten sieht man, Zeitungsboten nicht.“ Passiert sei ihm als Zusteller noch nie etwas. „Und wenn etwas passiert, dann habe ich Pech gehabt.“ So lakonisch spult Armin Meyer auch seine Schicht ab. Regen, Schnee, Glätte, Kälte, Hitze – das perlt alles an ihm ab, „die Zeitungsleser verlassen sich doch auf mich“. Sechsmal in der Woche ist er unterwegs, nur sonntags hat er frei. Und schlafen? „Ich lege mich nachmittags hin. Das kenne ich doch noch von meiner Zeit als Bäcker.“ Über Geld redet Armin Meyer nicht gerne. Es sei schon in Ordnung, dank des Mindestlohns sowie Zulagen für Nachtarbeit, sagt er, und geht weiter. Straße für Straße, Haus für Haus, Nacht für Nacht.

Text und Fotos: Jochen Schübel