Dr. Martina Neddermann leitet das Schlaflabor im evangelischen Krankenhaus
Wenn Ein- und Durchschlafstörungen, Atemaussetzer oder unruhige Beine den Schlaf rauben, ist Dr. Martina Neddermann zur Stelle. Sie ist Fachärztin für Allgemeinmedizin, Innere Medizin und Schlafmedizin. Das Schlaflabor des evangelischen Krankenhauses ist von der Deutschen Gesellschaft für Schlafmedizin zertifiziert und bietet jede Nacht Platz für acht Patient*innen. Im Interview verrät Dr. Martina Neddermann wie eine Nacht im Schlaflabor aussieht.
inherne: Wie läuft ein Aufenthalt im Schlaflabor ab?
Dr. Martina Neddermann: Die Patienten werden mittags durch die Krankenschwester und den ärztlichen Dienst aufgenommen. Ab 20 Uhr beginnt der Nachtdienst, der die Patienten bis circa 23 Uhr verkabelt. Danach versuchen sie zu schlafen und werden in den Morgenstunden zwischen 5 und 6 Uhr geweckt. Im Anschluss findet eine manuelle Auswertung statt. Wurde kein Befund festgestellt, dürfen die Patienten nach Hause gehen. Gibt es einen Grenzbefund, wird in einer zweiten Nacht erneut gemessen. Bei einem pathologischen, also krankhaften Befund leiten wir direkt eine passende Therapie ein. Zum Beispiel die Behandlung mit einem Beatmungsgerät, einem Zungenschrittmacher oder einer Schnarchschiene. Wir bieten auch Rückenlagenverhinderungstraining an.
Autorin Jasmin Stüting als Schlaf-Probandin.
inherne: Welche Aufgaben werden von der Nachtschicht erledigt?
Neddermann: In der Nacht wird überwacht, ob die Kabel gut platziert sind und die Aufnahmen eine gute Qualität haben. Wenn die Patienten ein Beatmungsgerät bekommen, muss der Druck gesteuert und der Sitz der Maske kontrolliert werden. Hinzu kommt die Betreuung, wenn Beschwerden auftreten oder jemand zur Toilette muss.
inherne: Schläft man schlechter, wenn man klinisch überwacht wird?
Neddermann: Natürlich ist das alles sehr ungewohnt, aber wir haben ein interessantes Phänomen: Menschen, die seit vielen Jahren an Schlafstörungen leiden, schlafen meistens in der ersten Nacht viel besser. Das liegt an der anderen Erwartungshaltung und der neuen Umgebung. Andererseits schlafen die Patienten, die Aussetzer haben, nicht so gut bei uns. Sollten Patienten sehr schlecht schlafen, kann auch ausnahmsweise eine Schlaftablette gegeben werden.
inherne: Für wen ist es ratsam eine Nacht im Schlaflabor zu verbringen?
Neddermann: Viele Männer werden von ihren Ehefrauen geschickt, weil sie schnarchen oder weil Atemaussetzer bemerkt werden. Vorher muss eine ambulante Voruntersuchung durchgeführt werden. Die anderen Patienten sind die, die unerklärlich müde und kaputt sind oder seit Jahren an Ein- und Durchschlafstörungen
leiden. Die dürfen auch ohne Voruntersuchung kommen. Um einen Termin in unserem Schlaflabor machen zu können, braucht man eine Einweisung von Hausarzt oder Hausärztin.
Dr. Martina Neddermann.
Sabine Sawicki hat nachts die Patient*innen im Blick.
inherne: Was sind die häufigsten Gründe für Schlafstörungen?
Neddermann: Die häufigste Problematik ist die Durchschlafstörung. Die Patienten wachen meistens zwischen 2 und 4 Uhr auf und können nicht wieder einschlafen. Das kann stressbedingt sein, sodass die Personen meistens ganz gut einschlafen und dann nachts aufwachen. Aber es gibt auch viele Patienten, die altersbedingt schlecht durchschlafen, da mit dem Alter die Dauer der Tiefschlafphasen abnimmt. Frauen, die in den Wechseljahren Durchschlafstörungen hatten, nehmen diese oft mit ins Alter. Jeder Mensch wird in der Nacht 15 bis 21 Mal wach. Durch den guten Tiefschlaf merken wir das nicht – und sollen das auch nicht. Wir müssen aber kurzzeitig unterschwellig aufwachen, um uns zu wenden und zu bewegen. Haben wir jedoch einen reduzierten Tiefschlaf, bekommen wir das Wachwerden mit und müssen lernen wieder einzuschlafen.
inherne: Wie kann man lernen wieder einzuschlafen?
Neddermann: Es gibt zwei Theorien zur Verbesserung der Durchschlafstörung: Die einen sagen, man soll aufstehen und langweilige Dinge tun, damit man wieder müde wird. Hierbei besteht das Problem, dass wir dann das Schlafhormon Melantonin nicht mehr ausschütten. Die anderen sagen, dass man im Bett liegen bleiben soll, damit man gar nicht erst kalt wird und helles Licht sieht. Da hilft es besonders, ruhige Musik oder ein langweiliges Hörbuch zu hören. Wichtig ist, sich abzulenken, damit man nicht in das Gedankenkarussell gerät. Wenn beides nicht hilft, kann eine Schlafrestriktion in Betracht gezogen werden. Dabei minimiere ich den Schlaf, damit ich wieder durchschlafe. Ich darf nur fünf bis sechs Stunden schlafen, damit ich ausreichend müde bin. Sobald ich langsam wieder durchschlafe, kann die Schlafphase um eine halbe Stunde verlängert werden.
inherne: Haben Sie im Schlaflabor eine skurrile Situation erlebt?
Neddermann: Wir hatten eine ältere Dame hier, die morgens immer so kaputt und unausgeschlafen war. Durch die Kamera konnten wir beobachten, dass sie sich in der Nacht auf die Bettkante gesetzt und circa drei Stunden lang Strickbewegungen mit den Armen gemacht hat. Das hat sie natürlich unterschwellig wachgemacht, obwohl sie nur geträumt hat und sich am Morgen nicht dran erinnern konnte.