Die gute Seele der Sporthalle Wanne-Süd
Sie kennen die deutsche Sprache nicht, wissen wenig über die deutsche Kultur und wissen nicht, ob sie in Deutschland eine Zukunft haben: Die Flüchtlinge in der Sporthalle Wanne-Süd. Doch sie kennen Manuel Gomes. Der 43-Jährige kennt die Gefühlslage, als Fremder nach Deutschland zu kommen. 1999 ging es ihm nicht anders.
Kümmerer mit der richtigen Ansprache
Ganz vergleichbar ist die Situation sicherlich nicht. Denn Gomes kam vor 16 Jahren nicht als Flüchtling nach Deutschland sondern als Student. Er war nicht traumatisiert und hatte keine gefahrvolle Anreise hinter sich. Wer aber die Halle am Sportpark betritt, merkt sofort, der Sozialarbeiter spricht die Sprache der Flüchtlinge. Und damit ist nicht die Muttersprache gemeint. Er geht auf die Menschen zu, ist ein Kümmerer. Er hilft beim Sprachunterricht, besorgt fehlende Kleidung oder ist einfach zur Stelle, um die Menschen etwas aufzumuntern. Gomes weiß, worauf es ankommt: Auf die direkte Ansprache. Denn natürlich ist es für die Menschen hier nicht immer einfach. Wir haben hier verschiedene Persönlichkeiten. Einige sind traumatisiert, andere sind mit ihren Gedanken in ihrer Heimat - bei ihren Frauen und Kindern. „Andere sind einfach nur glücklich hier zu sein", sagt der vierfache Familienvater, der in Lissabon geboren wurde, dessen Familie aber aus Ghana stammt.
Vom Seelsorger zum Sozialarbeiter
Mit seinem Migrationshintergrund kann er sich sehr gut in die Flüchtlinge hineinversetzen. Den Menschen in Not zur Seite stehen, das lag ihm schon am Herzen als er noch als Seelsorger für die Stadtmission Wanne-Eickel viele Jahre Drogenabhängige, Alkoholiker und Asylsuchende betreute. Im Grunde war er hier schon eine Art Sozialarbeiter. Für Gomes ist die Arbeit mit Menschen in Not kein Beruf sondern Berufung. Vielleicht merkten das sogar andere Menschen früher als er selber. Denn eigentlich war er nach Deutschland gekommen, um Psychologie zu studieren. Während des Studiums arbeitete Gomes in einem Altenheim. Dort kümmerte er sich rührend um die Bewohner. Er tröstete sie, wenn sie traurig waren oder stand ihnen zur Seite, wenn der Abschied nahte. Diese Gabe, in schwierigen Situationen immer den richtigen Ton zu treffen, war einer Pfarrerin in dem Seniorenzentrum nicht entgangen. Im Gegenteil: Sie war begeistert von Gomes.

„Wir sind eine große Familie"
„Sie sagte zu mir, Manuel, Theologie wäre das richtige für dich." Mit dieser Einschätzung lag die Pfarrerin goldrichtig. Der heute 43-Jährige begann noch 2002 sein Theologie-Studium, das ihn für sein Anerkennungsjahr 2005 nach Wanne-Eickel zur Stadtmission führte. Das „theologische" Gastspiel war also anfangs eigentlich nur auf zwölf Monate ausgelegt. Zum Schluss wurden es zehn Jahre. Und die Mission – Menschen in Notlagen zu unterstützen - ist damit längst noch nicht beendet. Als Sozialarbeiter der Stadt Herne ist er direkter Ansprechpartner für viele Väter, Mütter und Kinder, die in Deutschland Zuflucht gefunden haben und jetzt vor den gleichen Nöten und Ängsten stehen. Nicht ohne Grund sagt er trotz der verschiedenen Nationalitäten, Sprachen und Einzelschicksale: „Wir sind hier in der Halle eine große Familie …"
Siehe auch Artikel "Vertrauen aufbauen"
Siehe auch Artikel Auf der Flucht
Text: Michael Paternoga