Mutter und Tochter auf dem Wagen
Das Gartentor ist unscheinbar. Wer in Röhlinghausen daran vorbeigeht, vermutet nicht, dass es hier seit Wochen nur noch ein Thema gibt: die Cranger Kirmes. Oder besser gesagt der Umzug. Für die „Wanner Weiber" ist er mehr als ein Pflichttermin – er ist eine Herzensangelegenheit.
„Wir (be)geistern Crange"
Dabei sieht man an diesem sonnigen Tag gar keine Herzen. Viel mehr sind Geister in der Überzahl. Normalerweise hüten die „Wanner Weiber" ihr aktuelles Motto bis zum Umzug. Für inherne machen sie eine Ausnahme: „Wir (be)geistern Crange" wird auf dem Wagen stehen. „In dem Moment, in dem man auf den Wagen steigt, weiß man, was man ein Jahr vermisst hat – seine Kirmes", bringt Andrea Heinrich die Vorfreude auf den Punkt. Immerhin wird am 8. August das Kapitel weitergeschrieben, das 2002 seinen Anfang nahm. 14 Jahre später meldet die nächste Generation Ansprüche aufs Mitfeiern an. Und so kommt es 2015 zu einer Premiere. Zum ersten Mal stehen zwei Mütter-Töchter-Paare gemeinsam auf dem Wagen. Mimi Gunia und Chantii Buschmeier sind schon ganz aufgeregt. Die beiden 18-Jährigen haben all die Jahre das bunte Treiben ihrer Mütter hautnah miterlebt und fiebern ihrem großen Auftritt am 8. August bereits entgegen.
Siehe auch: Dresscode der Cranger Kirmes, Letzter Festumzug, Kirmespiraten wollen Crange wieder entern, Höhe, Geschwindigkeit, Spaß und Grusel, Schlager, Schlemmen, Superstimmung, Garde der „neuen Wilden", Nicht nur zur Kirmeszeit: Happy-Hour bei der HCR
Aufnahmeprüfung für den "Nachwuchs"
Bevor der „Nachwuchs" aber den Wagen betreten darf, gilt es die Aufnahmeprüfung zu bestehen. Wie lange feiern die Wanner Weiber? Die beiden Neuen im Weiberclub hatten keine Probleme, diese Frage zu beantworten. Die Auflösung wird am Ende des Textes verraten. „Ich finde es toll, dass meine Tochter jetzt mitfährt. Wir haben immer gesagt, wenn du 18 Jahre alt bist, darfst du mitfahren. Jetzt ist sie volljährig", verrät Angela Tiersch, als sie gerade Grabsteine aus Styropor nachbaut. Handarbeit wird immer noch großgeschrieben, längst sind alle „Mädels" im Crange-Modus. Selbst beim Kölner Karneval könnten sie wohl den etablierten Wagenbauern Konkurrenz machen. So verpasst Britta Stommel ausgestanzten Buchstaben mit roter Farbe den letzten Gruseleffekt, während zwei Meter weiter kleine Gespenster mit ihren grünen Gesichtern von der Wagenfassade lächeln. Ganz hinten im Garten entsteht eine Riesenspinne. Am 8. August wird sie losgelassen, genau wie die Wanner Weiber. Dann sind sie wieder in ihrem Element. „Hier sind richtige Freundschaften entstanden", berichtet Andrea Heinrich und fügt hinzu: „Eigentlich können wir uns gar nicht aus den Augen verlieren."
So lautete das Motto der vergangen Jahre:
Girls just WANNE have fun (2002), Wanner-Weiber im Kirmes Dschungel (2003), Wir sind so schön, wie der Mond von Wanne-Eickel (2004), Menschen, Tiere, Sensationen (2005), Wintermärchen, Winterzeit – wir hoffen Herne ist bereit (2006), Wir tanzen mit Herz auf Crange (2007), Wir sagen JA zu Crange (2008), …das Drei-Männer-Eck zeigt uns den Weg (2009), Kultstadt Crange.2010 (2010), Einmal im Jahr wird der Kirmes-Zauber wahr (2011), Wanner-Weiber lassen die (Kron)Korken knallen (2012), Wanner-Weiber (ba)rocken Crange (2013), Wanner-Weiber… der Fluch von Crange! (2014) und Wir (be)geistern Crange (2015)
Monatlicher Stammtisch
Der Grund ist genial: Es gibt einen Stammtisch. Während sich viele Freunde aus den Augen verlieren und sich nur einmal im Jahr auf Crange sehen, treffen sich die Wanner Weiber einmal im Monat. „Dann wird die letzte Kirmes nachbesprochen oder schon über das Motto für das neue Jahr diskutiert. Nach der Kirmes ist vor der Kirmes", betont Andrea Heinrich, die schon am Donnerstagabend im Bayernzelt mit ihren Mädels bei der Eröffnung nicht fehlen darf. Aber natürlich steht bei den Wanner Weibern der Festumzug im Mittelpunkt. Am Freitag wird den ganzen Tag über der Wagen geschmückt. Am nächsten Morgen stehen die Kirmesfans dann pünktlich um 7 Uhr auf der Matte von Stefan Pinzer, um sich mit einem ausgiebigen Frühstück für einen langen Tag zu stärken. Beim aktuellen Team von 13 Frauen ist Pinzer der einzige Mann, der an Bord akzeptiert wird. Und das bereits seit der ersten Fahrt vor 14 Jahren. Stefan Pinzer ist der Mann, dem die Wanner Weiber vertrauen oder anders gesagt – alles anvertrauen. „Sie reden wirklich über alles mit mir. Ich könnte locker einige Bücher schreiben, aber Geheimnisse werden natürlich nicht verrate", schmunzelt der 43-Jährige, der anfangs nur für die Musik zuständig war, inzwischen aber kaum noch aus der Runde wegzudenken ist.
Gefeiert wird bis 1000 Uhr …
Außerdem stellt er freundlicherweise immer seinen Garten zur Verfügung, wenn die Weiber den Endspurt in Sachen Festumzug einläuten. In seiner Garage passt kein Auto mehr, es erinnert eher an ein Magazin für einen Bastelladen. Ganz zu schweigen vom Keller, in dem wohl bald ein Museum der Wanner Weiber eröffnen könnte. Von jedem Festumzug werden die besten Requisiten aufbewahrt. „Alles andere zerstören wir", erklärt Andrea Heinrich. Nicht zerstört werden natürlich die Urkunden, die es für die schönsten Wagen von der Jury gibt. Schon viermal haben die Wanner Weiber den ersten Platz abgeräumt. Vielleicht gibt es bei der Prämierung am Montagabend im Bayernzelt ja die fünfte Siegerurkunde. Falls nichts, gibt es allerdings keine traurigen Gesichter. Den Wanner Weibern geht es nicht um Urkunden und Preise, es geht um das Gefühl Cranger Kirmes. Andrea Heinrich: „Die Emotionen auf dem Wagen kann man nicht beschreiben. Da oben zu stehen und gemeinsam zu feiern, das ist einfach nur phänomenal." Und feiern können die Wanner Weiber. Ein Tipp für nächste Aufnahmeprüfung: Gefeiert wird bis 1000 Uhr …
Und das sind die Wanner Weiber:
Alex Böker, Angela Tiersch, Britta Stommel, Chantii Buschmeier, Claudi Schmidt, Jessi Grünwald, Katharina Schröder, Tina Heinrich, Mimi Gunia, Sabrina Schildt, Sandra Looks, Stefan Pinzer, Susi Redkowski und Andrea Heinrich