Zwischen Urknall und Lichtblick

8. Mai 2019 | Gesellschaft Kultur

Malerei - Collage / Herner Rathaus / Friedrich-Ebert-Platz 2 - 44623 Herne / 10. Mai - 19. Juli / Vernissage 10. Mai 2019, 17 Uhr. Begrüßung Oberbürgermeister Dr. Frank Dudda, Einführung: Dr. Falko Herlemann, Musik: Wolfhard Hupperts, Gitarre

  • ©Thomas Schmidt, Stadt Herne
"Ich gehe immer mehr dazu über, realistische Motive zu malen", sagt Glebsatteln. "Schauen Sie mal, welche Details und welche spannenden Strukturen ein Wurzelwerk offenbart, wenn man es sich aus der Nähe betrachtet." Von der Realität abgeschaut und dann zunehmend abstrahiert, darin liegt häufig die Vorgehensweise des Künstlers. Vor allem zum Beginn seiner Karriere. So hat er noch zu Studentenzeiten Geld in einer Kfz-Schilderfabrik verdient, wo ihn der Deckel eines Farbeimers derart faszinierte, dass er ihn in zahlreichen Varianten verewigte. Nicht in einer naturalistischen Abbildung, sondern stark verändert: Die an dem Deckel in Tropfenform angetrocknete Farbe hinterlässt einen besonderen Eindruck. Aus dem umgekehrt platzierten Deckel werden brodelnde Lavalandschaften oder - je nach Sicht - hochschießende Pilze. Das Pilzmotiv greift Glebsattel häufig auf und macht daraus ein Umweltthema. Immer wieder sind es die Pilze, die alles überwuchern und die Umwelt zerstören. Die Problematik der bedrohten Umwelt kochte in den 70-ern gesellschaftlich noch nicht so stark hoch, bei Glebsattel schon. "Vertreibung" nennt er eine Collage, auf der Pilze Menschen verdrängen.

Siehe auch: "Glebsattel zeigt Zähne" und "Vom Revoluzzer-Lehrer zum Grafik-Designer".

Von den Pilzen zu den Strukturen

Das Pilzmotiv verliert dann allmählich seine Bedrohlichkeit, zwischen ihnen wächst neues Leben. Glebsattel malt großformatige Bilder, in denen die Pilzköpfe zu einer Familie zusammen wachsen - Eltern, die sich schützend über ein Kind beugen. "Ich bevorzuge runde weiche Formen", sagt Glebsattel. Sie dominieren die Ausstellung und eignen sich vorzüglich, um mit angereichertem Rot, Gelb und Weiß Wellen, Wolken, Risse, Krusten, bizarre Formen, Weltraumlandschaften darzustellen. Wie zum Beispiel bei "Urknall", bei "Ausbruch" oder "Lichtblick" (mit Sand und Acryl).  Den "Ausbruch" gibt es in unterschiedlichen Techniken - in Acryl, der von Glebsattel bevorzugten Farbe, aber auch in farbigem Kunststoffgranulat (nach einem Besuch der Firma Ter Hell) und auf Seidenpapier und Ölfarbe. Wobei das Seidenpapier kleine Verknitterungen produziert und so dem Bild eine weitere Dimension hinzufügt. In seinen "Phasen des Experimentierens" hantiert Glebsattel mit Seidenpapier, Wellpappe und Kordel und lässt Gebilde entstehen, die an extraterristische Landschaften erinnern.

Rissige Rindenoberfläche

Glebsattel beginnt bei seiner Arbeit mit einem abstrakten Gebilde, das sich zum Schluss an die Realität anlehnt. Aus der anfänglichen Grotte wurde ein brauner Strom, der sich auf das Unwesen der Neonazi bezieht. Er bevorzugt Formen, die aus der Natur entstanden sind: Aus der rissigen Rindenoberfläche eines Olivenbaumes werden abstrakte Strukturen. Ähnlich wirkt eine alter Zaun aus einer Bahnschwelle in seinem Garten, den er auf Leinwand gebannt hat - von der Witterung ausgehöhlt.

Unverkennbar Glebsattel

Der Künstler hat an zahlreichen Sammelausstellungen mit Themenvorgaben teilgenommen - seien es nun seine phantasievollen Collagen zum 100-jährigen Jubiläum des Herner Rathaus, die zehn verschiedenen Wasseroberflächen zum Kulturhauptstadtjahr oder seine Beiträge zur Industriekultur, die korrodierten Details einer verfallenen Industrie. Die Malerei und Collagen auf den drei Etagen im Herner Rathaus umspannen einen weiten Bogen an Themen, Techniken und Formen. Aber für fast jede Arbeit gilt: unverkennbar ein Glebsattel.

Horst Martens