Zwischen Urknall und Lichtblick
Wohl nicht zufällig steht das Werk "Wurzeln" auf der Einladungskarte symbolhaft für diese zweite Ausstellung von Reiner Glebsattel im Herner Rathaus. Das aktuelle Motto des Künstlers lautet "Zurück zu den Wurzeln" - und zwar in mehrfacher Sicht.
Malerei - Collage / Herner Rathaus / Friedrich-Ebert-Platz 2 - 44623 Herne / 10. Mai - 19. Juli / Vernissage 10. Mai 2019, 17 Uhr. Begrüßung Oberbürgermeister Dr. Frank Dudda, Einführung: Dr. Falko Herlemann, Musik: Wolfhard Hupperts, Gitarre
Siehe auch: "Glebsattel zeigt Zähne" und "Vom Revoluzzer-Lehrer zum Grafik-Designer".
Von den Pilzen zu den Strukturen
Das Pilzmotiv verliert dann allmählich seine Bedrohlichkeit, zwischen ihnen wächst neues Leben. Glebsattel malt großformatige Bilder, in denen die Pilzköpfe zu einer Familie zusammen wachsen - Eltern, die sich schützend über ein Kind beugen. "Ich bevorzuge runde weiche Formen", sagt Glebsattel. Sie dominieren die Ausstellung und eignen sich vorzüglich, um mit angereichertem Rot, Gelb und Weiß Wellen, Wolken, Risse, Krusten, bizarre Formen, Weltraumlandschaften darzustellen. Wie zum Beispiel bei "Urknall", bei "Ausbruch" oder "Lichtblick" (mit Sand und Acryl). Den "Ausbruch" gibt es in unterschiedlichen Techniken - in Acryl, der von Glebsattel bevorzugten Farbe, aber auch in farbigem Kunststoffgranulat (nach einem Besuch der Firma Ter Hell) und auf Seidenpapier und Ölfarbe. Wobei das Seidenpapier kleine Verknitterungen produziert und so dem Bild eine weitere Dimension hinzufügt. In seinen "Phasen des Experimentierens" hantiert Glebsattel mit Seidenpapier, Wellpappe und Kordel und lässt Gebilde entstehen, die an extraterristische Landschaften erinnern.
Rissige Rindenoberfläche
Glebsattel beginnt bei seiner Arbeit mit einem abstrakten Gebilde, das sich zum Schluss an die Realität anlehnt. Aus der anfänglichen Grotte wurde ein brauner Strom, der sich auf das Unwesen der Neonazi bezieht. Er bevorzugt Formen, die aus der Natur entstanden sind: Aus der rissigen Rindenoberfläche eines Olivenbaumes werden abstrakte Strukturen. Ähnlich wirkt eine alter Zaun aus einer Bahnschwelle in seinem Garten, den er auf Leinwand gebannt hat - von der Witterung ausgehöhlt.
Unverkennbar Glebsattel
Der Künstler hat an zahlreichen Sammelausstellungen mit Themenvorgaben teilgenommen - seien es nun seine phantasievollen Collagen zum 100-jährigen Jubiläum des Herner Rathaus, die zehn verschiedenen Wasseroberflächen zum Kulturhauptstadtjahr oder seine Beiträge zur Industriekultur, die korrodierten Details einer verfallenen Industrie. Die Malerei und Collagen auf den drei Etagen im Herner Rathaus umspannen einen weiten Bogen an Themen, Techniken und Formen. Aber für fast jede Arbeit gilt: unverkennbar ein Glebsattel.
Horst Martens